Zum Inhalt springen

Wendelin Pressl :
Land in Sicht - die RelationShips von Himberg

Zurück
Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl
Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl
Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl
Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl
Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl
Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl
Himberg, 2025
Laurentiusgasse 1, 2325 Himberg bei Wien

Information

Unbeschwerte Stunden
Ein Postkartenmotiv aus längst vergangenen Zeiten: ein beschaulicher Teich, umgeben von üppiger Natur, im Vordergrund ein Ruderboot, in dem ein junges Paar unbeschwerte Stunden am Wasser genießt. Die schwarzweiße Fotografie ist in pastellig-warmen Tönen koloriert. Bei sonnigem Wetter über das Wasser gleiten – es herrscht eine fröhliche Stimmung, das Boot schaukelt bei jedem „Manöver“ der Rudernden. Im Bug des Boots dürfen wir einen liebevoll vorbereiteten Picknickkorb vermuten. Wo wird das junge Paar an Land gehen? Werden sie sich für eine der Inseln im Schlossteich des Laxenburger Parks entscheiden?

Diese imaginäre Postkarte mag in die Jahre gekommen sein, das Motiv ist aber längst nicht vergangen, sondern an all jenen Teichen und kleineren Seen gegenwärtig, an denen noch ein Bootsverleih betrieben wird. Eine Fahrt im Ruderboot mit der, dem oder den Liebsten zählt zu jenen Ereignissen, die bei den meisten Menschen in der Kategorie „schöne Erlebnisse“ abgespeichert sind. Und wer jemals eine Ruderbootfahrt selbst erlebt hat – und sei es Jahrzehnte her –, dem zaubert der Anblick dieser Boote mitunter ein Lächeln ins Gesicht.

Die fünf Boote vor dem Café des Pflege- und Betreuungszentrums Himberg, die Wendelin Pressl dort aufgestellt hat, rufen diese Erinnerungen ab – an im Wasser schaukelnde Boote, heitere Stimmung und unbeschwerte Stunden vergangener Zeiten. Von den rund 150 Personen, die in dem Haus betreut werden, können mit hoher Wahrscheinlichkeit viele darauf zurückgreifen, ebenso wie von all denen, die im Haus arbeiten, und wohl auch ein guter Teil derjenigen, die kommen, um ihre lieben Angehörigen zu besuchen.

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre ihnen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Mit diesen Worten von Antoine de Saint-Exupéry beschreibt die Pflegedirektorin des PBZ Himberg, Sandra Lechner, ihren Zugang zu ihrem Amt, das mit der Verantwortung für ein großes Team verbunden ist und ein weites Tätigkeitsfeld umfasst, von der Langzeitpflege über die Tagesbetreuung bis zu Palliative Care. Nun ist der Laxenburger Schlossteich nicht die Adria, und die bunten Aluminiumboote sind keine Segeljachten, und dennoch hängt das neue Kunstwerk in Himberg auf wundersame Weise mit dem Meer zusammen.

Vor rund 230 Jahren fassten einige Leute mit Weitblick einen visionären Gedanken: Sie wollten Wien als die Hauptstadt des Reichs über einen Kanal mit der Adria verbinden. Wien, das in reiner Luftlinie wenigstens 335 Kilometer von der Adria entfernt ist und am tiefsten Punkt 150 Meter über dem Meer liegt! Mit allen Erhebungen dazwischen, vom Alpenvorland bis zum Karst. Bald darauf wurde das Vorhaben angegangen und wenigstens der erste Abschnitt realisiert, der Wiener Neustädter Kanal. Er führte einst nördlich der Schwechat an Himberg vorbei – auf historischen Karten erinnert noch die sogenannte Himbergerbrücke daran.

Der Kanal bis an die Adria ist nicht weiter als bis Wiener Neustadt gebaut worden, und im Bereich Himberg ist der Wasserweg nicht mehr vorhanden. Und dennoch: Im Kunstwerk von Wendelin Pressl spannen sich Bezüge auf zwischen den aufgestellten Booten, der Erinnerung an unbeschwerte Ruderpartien und der Sehnsucht nach dem Meer.
Wir wollen uns die Aufstellung der Boote genauer ansehen: Ein Teil ist in der Erde versenkt, zur Gewährleistung der Stabilität, der weitaus größere Teil ragt jedoch senkrecht aus der Rasenfläche heraus; und die einzelnen Boote sind durch einen barrierefrei ausgeführten Weg miteinander verbunden. Die Boote haben auf dem Trockenen eine neue Funktion erhalten – sie bieten Personen, die darin Platz nehmen, Schutz vor Sonne und Wind. Sie eröffnen die Möglichkeit eines Für-sich-Seins, an zwei Stellen bietet sich aber auch die Gelegenheit, mit den Leuten im nächstgelegenen Boot in Beziehung (= „relationship“) zu treten. Schon von weitem sichtbar, ragen die Boote auf wie steinzeitliche Monolithen. Kommen wir näher, erinnern die nach oben strebenden Formen ein wenig an gotische Kapellen. Und nicht zuletzt lassen sie an Strandkörbe an Nord- oder Ostsee denken, die am Ende eines langen Badetages nicht mehr gleich ausgerichtet, sondern im Sand locker verteilt sind.

Vor einem Pflege- und Betreuungszentrum dürfen wir uns die Frage stellen, wie ein erfülltes Leben aussieht. Wie steht es damit, wenn wir uns in einem Abschnitt unseres Lebens befinden, in dem wir nicht mehr in der Lage sind, die Bedürfnisse des Alltags alleine zu bewältigen, wir nicht mehr Herr oder Frau der Lage sind? Wenn wir auf die Unterstützung anderer Menschen angewiesen sind? Der Verlauf des Lebens ist oft als Reise durch die verschiedenen Lebensalter beschrieben worden, und das Boot wird nicht selten als Metapher dafür verwendet. Die Relationships von Wendelin Pressl sind an einem Ort vor Anker gegangen, an dem Menschen in einer bestimmten Phase ihrer Lebensreise auf die Unterstützung anderer angewiesen sind, auf die Professionalität ihrer Hilfe zählen und sich über ihre Menschlichkeit und Wärme freuen: „Land in Sicht“.

Anton Lederer

Bilder (6)

Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl
Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl
Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl
Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl
Wendelin Pressl, Land in Sicht, Himberg 2025
© Bildrecht, Wien 2025, Foto: Lisa Rastl