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Franz West :
Warum ist etwas und nicht nichts

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Franz West, Warum ist etwas und nicht nichts, Wiederaufstellung, Stronsdorf, 2022
© Joanna Pianka
Franz West, Warum ist etwas und nicht nichts, Wiederaufstellung, Stronsdorf, 2022
© Joanna Pianka
Stronsdorf, 1997
Kreuzung Stronsdorfer Graben/L20, 2153 Stronsdorf

Information

Im Mai 2022 wurde – nach einer umfassenden Konservierung und Restaurierung – Warum ist etwas und nicht nichts von Franz West an seinem ursprünglichen, vom Künstler selbst ausgesuchten Standort nördlich von Stronsdorf wieder aufgestellt. Nach 25 Jahren hat sich dort, im ebenen und agrarisch genützten Land um Laa an der Thaya nahe der Grenze zu Tschechien, wenig geändert. Keine Telegrafen- oder Strommasten, keine Bäume: Die Sicht auf das große rosa Ellipsoid, das etwas außerhalb des Dorfes an einer Kreuzung von zwei Feldwegen liegt, ist allenfalls von Jahreszeiten und Fruchtfolgen abhängig und von Weitem einsehbar. West wollte, „dass man wirklich nichts rundherum sieht“ und die Arbeit „so geballte Kraft hat“.[1]

Das eiförmige Gebilde aus Stahlblech mit rosa Lackierung existiert quasi doppelt. Gemeinsam mit seinem Pendant, das für Skulptur. Projekte in Münster 1997 bestimmt war und zeitgleich entstanden ist, handelt es sich dabei um ein Schlüsselwerk Wests, der nach einer Einladung zum Metallsymposium in Spital am Pyhrn beschlossen hatte, sich der Außenskulptur zuzuwenden. „Gegen meine Gewohnheit“, wie er damals sagte, „weil eine Skulptur für den Außenraum für mich außerhalb des natürlichen Präsentationsrahmens liegt.“[2] Fragen zum Status der Skulptur sowie zur Kunst im öffentlichen Raum waren seit den späten 1980er-Jahren und vermehrt in den 1990er-Jahren ein wichtiges Thema in der Kunst. Skulptur. Projekte in Münster fand 1997 zum dritten Mal statt und zeigte 70 internationale Künstler*innen. West war zum zweiten Mal dabei. Zwar ging es dort primär um Kunst und Stadt im Sinne von ortsspezifischen Setzungen, doch war es die dabei immanente Befragung des Mediums selbst, die für West eine wesentliche Rolle spielte. Seit jeher war es ihm ein Anliegen, Theorie und Praxis in seinen Arbeiten zu verbinden, wenn er mit Partizipation oder sprachlichen Kontexten die Objekthaftigkeit aufzubrechen und zu erweitern suchte. Seine Werke sah er als Behelfe zur Erfahrung und suchte die Bezugsetzung zum Körper. Zwar entstanden schon in den späten 1980er-Jahren Werke für den Außenraum, wie die Lemurenköpfe, die auf der documenta 1992 zu sehen waren, oder Eo Ipso für die zweite Ausstellung in Münster, eine Sitzgruppe an einer Straßenecke, die auch seine erste Metallarbeit war. Im Gegensatz zur Werkgruppe der Möbel bezeichnete West nun Warum ist etwas und nicht nichts als „ungegenständlich und auch nicht anwendbar“. Fragen von Dreidimensionalität und anderen handwerklich-technischen Überlegungen waren Teil der durch die neue bildnerische Form ausgelösten Erfahrung. Seine beiden Arbeiten für Münster von 1987 und 1997 hat West in einem Bezug zueinander gesehen und dazu ausführlich seine Gedanken im Katalog der Skulptur. Projekte in Münster von 1997 dargelegt. Stronsdorf war (für West) ein Teil von Münster und umgekehrt, und entsprechend hat er den Titel Warum ist etwas und nicht nichts für beide Arbeiten verwendet. Den Titel (Eo Ipso im Sinne von „eben dadurch“ bzw. „von selbst“) von 1987 sah er als Antwort, „nämlich auf die Frage ‚Was ist (oder soll) das?‘“, die „diesmalige Skulptur (hat) eine Frage zum Titel“.

Seine Arbeit von 1997 beschreibt West hingegen so: „… jetzt sieht man sie, findet sie vor sich, verinnerlicht sie, und nicht sich in ihr – veräußert sich nicht in der Skulptur.“ Integrativer Teil ist auch hier der Titel, der ebenso als Frage wie als philosophische Haltung verstanden werden kann. Zitate aus der Philosophie sind für West wichtig, wobei Warum ist etwas und nicht nichts auf Parmenides zurückgeht. Aus seinem vorsokratischen Ursprung bringt West das Zitat in einen quasi existenzialistischen Zusammenhang und sah vor allem in Stronsdorf „das essenziell-existenzialistische Motiv“[3] durch die große weite Fläche betont. Ist also die Logik von Skulptur prinzipiell da und manifestiert sich im Ellipsoid als die für West einfachste Form, die am besten am Boden ruhen kann, wird sie immer wieder durch neue Dimensionen, Gedanken, Befindlichkeiten und Assoziationen lebendig gehalten. So ist es auch zu verstehen, dass West Warum ist etwas und nicht nichts nicht als autonome Skulptur versteht. Rosa sollte sie deshalb sein, weil diese Farbe dem Körper am nächsten kommt, „der eigene Körper als nächstbester Farbträger“, womit sich weitere Erfahrungsmöglichkeiten aufmachen lassen und auch der*die Betrachter*in einbezogen ist.

[1] Franz West im Interview mit Eva Badura-Triska, in: Susanne Neuburger: Kunstviertel Niederösterreich, Wien 2001, S. 188.

[2] Alle Zitate, wenn nicht anders angegeben, stammen aus Wests Beitrag in: Klaus Bußmann, Kasper König, Florian Matzner (Hg.): Skulptur. Projekte in Münster 1997, Ostfildern 1997, S. 441–445.

[3] Wie Anm. 1, S. 189.

Bilder (7)

Franz West, Warum ist etwas und nicht nichts, Wiederaufstellung, Stronsdorf, 2022
© Joanna Pianka
Franz West, Warum ist etwas und nicht nichts, Wiederaufstellung, Stronsdorf, 2022
© Joanna Pianka
Franz West, Warum ist etwas und nicht nichts, Wiederaufstellung, Stronsdorf, 2022
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Franz West, Warum ist etwas und nicht nichts, Wiederaufstellung, Stronsdorf, 2022
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Franz West, Warum ist etwas und nicht nichts, 1997/2022
© koernoe