About The House. Silence Turned Into Objects. [Ausstellung]
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"About The House. Silence Turned Into Objects" ist ein Kunstprojekt der Künstlerin Ricarda Denzer in Form einer Ausstellung. Ausgehend von Leben und Werk des britisch-amerikanischen Schriftstellers Wystan Hugh Auden (1907–1973), einem der großen Lyriker des 20. Jahrhunderts, der von 1958 an großteils in Kirchstetten lebte, werden im Ort sowie im und beim Auden-Haus Arbeiten von 12 KünstlerInnen gezeigt, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Sprache beschäftigen. Es geht um das Hören und um die Stimme sowie um Sprache als Handlung und deren Transformation in visuelle, räumliche und gesellschaftspolitische Dimensionen.
Mitwirkende
- Kuration
Beiträge
Brandon LaBelle
"Hideout for a Creole Imaginary“, 2013
"The one who is full of imagination; the one who is on the move; the one who crosses lines, bridges gaps, is lost in the crowd; the one who migrates; the one who searches for connection; the one who mis-speaks and mis-hears; the one who dreams of palm trees, apple pie, rum and wine; the one with a restless tongue; the one that is always already elsewhere; the one who transverses and interjects; the one from the other side of the tracks; the one who creates a new home, here and there."
(Brandon LaBelle)
Die Installation des bildenden Künstlers, Schriftstellers und Theoretikers Brandon LaBelle steht auf einer Wiese im Garten des Auden-Hauses. Er beschreibt sie als ein "architektonisches Diagramm, das einen Raum für die kreolische Imagination umreißt: die Hybridität von Sprachen, die Poesie von Beziehungen, die Migration von Ideen“. Der Bau aus Holzlatten erinnert an die dreidimensionale Skizze eines Hauses, in der alles nur angedacht ist und durch die Vorstellungskraft vollendet wird. Die Bretter sind mit einer abstrakten, schwarzen Kritzelei überzogen. Aus vier Lautsprechern hört man die Stimme des Künstlers und einer weiteren Person als übereinandergelagertes, schwer verständliches Flüstern. Ausgehend von den Themen Migration der Sprache und dem Kreolischen entwickelt Brandon LaBelle in einer Art "Bewusstseinsstrom“ beim Sprechen einen gedanklichen Faden, der sich um die Begriffe der "Insel“ und des "Reichs“ spannt.
Brandon LaBelle erforscht in Ton- und Textinstallationen, Performances und Interventionen im öffentlichen Raum Fragen des sozialen Lebens und Handelns sowie sozialer Kommunikation. In der Gedichtssammlung "Thanksgiving for a Habitat“ widmete W. H. Auden jedem Zimmer seines Hauses in Kirchstetten ein Gedicht, in dem er über die jeweilige Funktion des Zimmers für das tägliche private Leben, über die menschliche Natur und deren Bedingungen reflektiert. Sein Haus steht für die Ich-Konstruktion. Brandon LaBelles "hideout“ kann in diesem Zusammenhang als eine Wir-Konstruktion, als Stellvertreter für die Hybridität aktueller Gesellschaftsformen, in der die Kreolisierung kreative Unordnung hervorbringt, gesehen werden oder als metaphorischer Zufluchtsort "wo wir die Stimmen einer Gesellschaft der nahen Zukunft speichern können. Eine Echo-Welt von hier nach dort“, wie Brandon LaBelle schreibt.
(Cornelia Offergeld)
Annette Stahmer
"A ist blau" (2009), "Synästhetische Bilder" (2010/2013)
Die Arbeiten der Berliner Künstlerin und Typografin Annette Stahmer beschäftigen sich mit dem Thema Sprache, mit der Beziehung von Stimme und Schrift, dem Akt des Schreibens, Schrift als Erinnerungsspur, Palimpsesten und Synästhesie. Sie ist besonders an der "Materialität von Sprache" interessiert und untersucht dieses Thema in Videos, Soundprojekten, Photogrammen und verschiedenen Formen per-formativer Tagebücher. In den ausgestellten Arbeiten beschäftigt sich die Künstlerin mit der Synästhe-sie ihrer Mutter, die innerlich Farben sieht, wenn sie bestimmte Vokale hört. Das Video "A ist blau" (2009) zeigt sie an ihrem Schreibtisch, an dem sie in einer Art Selbstgespräch versucht, die innerlichen Farben zu beschreiben, die bei der Aussprache verschiedener Wörter entstehen, sie zu malen und damit zu materialisieren und auf das Papier zu bannen.
Die Soundarbeit "Synästhetische Bilder" (2010/13) führt diesen Gedanken fort, wobei die Bilder hier nicht auf dem Papier, sondern allein im Kopf des Zuhörers gebildet werden. Zu hören ist die Stimme der Synästhetikerin, die traumhafte Bilder oder Szenen zu beschreiben scheint, deren Farbgebung aber allein durch den Klang der Sprache generiert werden, wie beispielsweise: "Die Nacht … die Nacht … die Nacht ist durchsichtig blau. Der Mond ist schwarz. Der Nebel … der Nebel ist weiß. Der See ist weiß. Der Garten … der Garten … ist hellblau. Das Haus … das Haus ist blauschwarz (…)"
Im Mittelpunkt beider Arbeiten steht die Sprache, die der inneren Logik der Synästhesie folgend, nicht nur der Beschreibung der Phänomene dient, sondern selbst zu einer Art Material wird, die eine Farbe und eine Konsistenz annimmt und damit in dem Zuhörer poetische, fast surreale Bilder hervorruft.
(Cornelia Offergeld)
Ultra-red
"Politics (in Private)", 2013
"Politics (in Private)" ist eine Erweiterung des Auden-Archivs durch die Partizipation der BesucherInnen des Hauses. In diesem spezifischen Kontext hat das Künstlerkollektiv Ultra-red über Zustände von Einsamkeit und dem damit verbundenen Potenzial nachgedacht und lädt ein, zu diesen Themen schriftliche Beiträge mit der Post an das Auden-Haus zu senden oder vor Ort aufzunehmen: "Politics (In Private) besteht aus einer thematisch organisierten Sammlung von Texten und dazugehörigen auf Karten geschriebenen Erläuterungen. Dazu gibt es auch Audioaufnahmen, die auf Kassetten bespielt sind und ein Studierbereich mit leeren Erläuterungskarten, leeren Kassetten zum Aufnehmen, einem Stereogerät für die Wiedergabe und Aufnahme von Erläuterungen, einen Kopfhörer, einem Mikrofon, einen Brieföffner und Stiften. Im Studierbereich befindet sich ein Tisch mit Plätzen für bis zu vier Personen zum Arbeiten, sich Unterhalten und Studieren. Briefe mit neuen Texten und Erläuterungen, die ans Haus gesendet werden, werden auf das Archivregal gelegt, damit sie von den Besuchern im Studierbereich aufgemacht und eingeordnet werden können.“
Das 1994 gegründete Künstlerkollektiv Ultra-red verfolgt einen Dialog zwischen Kunst und politischem Aktivismus und zählt heute Künstler, Forscher und Aktivisten unterschiedlicher sozialer Bewegungen zu seinen Mitgliedern, die in den Bereichen Migration, Antirassismus, lokale Bürgerinitiativen und der HIV/AIDS-Politik tätig sind. "Durch eine “Pädagogik des Hörens”, die das Organisieren und Analysieren von politischen Kämpfen anspricht, untersucht Ultra-red den akustischen Raum als diskursives Medium von sozialen Beziehungen und führt somit eine akustische Aufzeichnung von sozialen Bedürfnissen, Konflikten, Verantwortlichkeiten und die Geschichte Einzelner oder Gemeinschaftsgruppen durch“, so das Kollektiv.
(Cornelia Offergeld)
Marcel Broodthaers
"Interview with a Cat", 1970
In "Interview mit einer Katze“ treibt Marcel Broodthaers sein subversives Spiel mit der Sprache auf die Spitze und lässt uns unmissverständlich wissen, dass es nicht die Aufgabe des Künstlers sei, Antworten zu geben. Vielmehr geht es für ihn um ein konsequentes Infragestellen. Broodthaers stellt einer Katze Fragen zur Malerei, zum Museumsbetrieb oder zum Kunstmarkt oder er möchte wissen, ob ein bestimmtes Bild innovativ sei oder nur akademisch. Schließlich wandelt der Interviewer den von Renée Magritte 1929 im Bild "La trahison des images“ ["Der Verrat der Bilder “] formulierten Satz "Ceci n’est pas une pipe“ ["Dies ist keine Pfeife“] in "Ceci est une pipe“ [Dies ist eine Pfeife] um, wiederholt sich immer wieder in anderem Tonfall, um sich jeweils gleich zu widersprechen: "Ceci n’est pas une pipe“. Die Katze, die die Rolle des Künstlers spielt, antwortet naturgemäß in Katzensprache. Das "Interview mit einer Katze“ nahm Marcel Broodthaers 1970 in seiner Düsseldorfer Zeit, in dem von ihm errichteten Musée d'Art Moderne, Département des Aigles auf. Es steht in der Folge einer Reihe fiktiver Interviews (wie "Interview Imaginäre de René Magritte“ oder "Interview Imaginäre de Marcel Lecomte“, beide 1967), in denen Broodthaers die Rolle des Interviewers spielte.
Marcel Broodthaers erhob den Museumsbetrieb, die gesellschaftliche Bedeutung des Museums und den Kunstmarkt zum Gegenstand seiner kritischen Reflexionen und beschäftigte sich mit den Bedingungen von künstlerischer Produktion und der Rezeption von Kunst. Gleichzeitig entwickelte er die von René Magritte aufgeworfene Frage nach den Widersprüchen zwischen Worten und Bildern und nach dem zwischen Selbst- und Objekterkennung hin und her geworfenen, noch vollkommen der Romantik verhafteten Subjekt der Moderne weiter.
(Cornelia Offergeld)
Jonathan Quinn
"Two Similar Chairs“, 2013
Mit der Arbeit "Two Similar Chairs" erinnert Jonathan Quinn in einer poetischen Geste an die nicht mehr anwesenden beiden Bewohner des Hauses, Wystan H. Auden und dessen Arbeits- und Lebenspartner Chester Kallmann. Jonathan Quinn verspannte Fäden im Raum zu einer Skulptur, die die Umrisse von zwei Fauteuils nachzeichnet. Beim Betreten des Raumes tasteten die Augen die Fäden vorsichtig ab. Sie erkennen nur langsam feine Umrisse. Die Erinnerung an schon Gesehenes eilt zu Hilfe. Diesem Prozess, der zwischen der Wahrnehmung der Fäden und dem Erkennen der Möbel liegt, gilt Quinns Interesse.
Die Beschäftigung mit Modernismus, industrieller Standardisierung und Massenproduktionen wie auch der Prozess der Wahrnehmung sind grundlegend für Jonathan Quinns künstlerische Arbeit, in der die Fadenverspannungen seit Ende der 1990er Jahre einen zentralen Werkblock darstellen. Die ortsgebundenen Skulpturen entstehen aus roten und durchsichtigen Acrylfäden, die sich gegenseitig nur durch Knoten und durch unterschiedliche Arten von Gewichten - meist industrielle Produkte - halten. Die Gebilde erinnern an flüchtige Notationen im Raum, Skizzen von Mobilar, dessen Masse aufgelöst ist oder auch an Sprache, die Dinge nur umreißen kann. So erscheint es nur folgerichtig, dass die Fäden nach den Ausstellungen vom Künstler zu kleinen Skulpturen in Knäuel-Form zusammengestopft werden. In einem poststrukturalistisch-linguistischen Kontext kann man die Skulpturen als Analyse von Zeichen, Sinn und Bedeutung verstehen. Doch sollte dabei nicht übersehen werden, dass Jonathan Quinns Fädenverspannungen Dekonstruktion und Konstruktion zugleich sind. In ihrer Fragilität und Flüchtigkeit stellen sie eine eigene Wirklichkeit her, die sich der Alltagssprache entzieht und jenseits von der Frage nach Bedeutungsansprüchen Objekte in Stille verwandeln.
(Cornelia Offergeld)
Fatih Aydoǧdu
"Klavier ([un]translatable)“, 1984/2013
Für die beim ehemaligen Arbeitsplatz W. H. Audens installierte Arbeit "Klavier ([un]translatable)“ transformierte Fatih Aydoğdu der Literatur und der Musik eingeschriebene Begriffe wie Sprache, Maß, Musikalität, Rhythmik und Klang in eine Form der visuellen Poesie. Er verband die historische Hardware eines Schriftstellers und die eines Musikers zu einem Instrument. Die Assemblage aus der Tastatur einer alten Schreibmaschine und eines Notenständers ist einer Collage aus einer alten Druckplatte und einem Gedicht Aydoğdus aus dem Jahr 1984 gegenübergestellt. Auf der Wand kann man je nach Beleuchtung und Tageslicht den Schatten der runden Tasten und des Notenständers als abstraktes veränderliches Bild sehen. Für das Gedicht bediente sich der Künstler der Grammatik und des Klangs der türkischen Sprache. Der Text jedoch ist nicht eindeutig lesbar. Er besteht aus erfundenen und zusammengesetzten Wörtern, die sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Begriffe und Konnotationen verbinden lassen. Je nach Disposition der lesenden Person kann sich also eine andere Narration ergeben, je nach unterschiedlicher Assoziation erzeugt die Sprache andere Bedeutung und andere Bilder.
In seiner künstlerischen Arbeit beschäftigt sich Fatih Aydoğdu unter anderem mit Sound- und Zeichensystemen. Sprache und Musik werden dabei als komplexe Systeme dargestellt, die der Künstler auf mehreren Ebenen, auf einer linguistischen wie auf einer soziologischen, parallel untersucht. In einer Vielzahl von formalen Annäherungen — von Objekten, Sound- und Videoinstallation bis hin zu Zeichnungen — geht Aydoğdu als bildender Künstler, Designer, Soundartist und Kurator sozialpolitischen Fragestellungen der Medienräume und Medienästhetiken, der Identitätspolitik sowie der Migration nach.
(Cornelia Offergeld)
Olga Karlíková
"Audible Landscapes“, 2003/2012
Anfangs für ihre Tapisserien und abstrakten Arbeiten aus Textil bekannt, widmete Olga Karlíková von der Mitte der 1960er Jahren an einen wichtigen Schwerpunkt ihrer Arbeit der Zeichnung in Verbindung mit Musik und Alltagsakustik. Die 1923 in Prag geborene Künstlerin entwickelte eine eigene Zeichensprache, Notationen, die von ihr wie Musikpartituren eingesetzt wurden. Bis zu ihrem Tod 2004 fertigte sie tausende Zeichnungen beim Beobachten und Hören von Vögeln und Fröschen an, die man als Transkriptionen ihrer akustischen Umgebung verstehen kann. Neben drei dieser Zeichnungen wird im Auden-Haus die für den Ort adaptierte Videoinstallation "Audible Landscapes“ gezeigt. Für diese wird der von einem tschechischen KuratorInnenteam zwischen 2003 und 2012 produzierter Videofilm auf einen Tisch projiziert. In dem Film legen die KuratorInnen über hundert Zeichnungen der Künstlerin auf einen Tisch langsam übereinander.
Nach der Unterzeichnung der Charta 77, der im Januar 1977 veröffentlichte Petition gegen die Menschenrechtsverletzungen des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei, erhielt Olga Karlíková Berufsverbot und erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde ihr Schaffen umfassend aufgearbeitet. Karlíkovás Zugang zur akustischen Wahrnehmung und ihr Versuch, diese in graphische Zeichen zu übersetzen, folgen jedoch weniger einem ideologischen Konzept, sondern sind vielmehr einem poetischen Ansatz und einer individuellen Sprachfindung verpflichtet.
So versuchte die Künstlerin eine Methode zur Übersetzung der Morphologie der Natur sowie der Sprache und der Bewegung ihrer Lebewesen zu entwickeln, die gleichzeitig Ausdruck ihrer subjektiven Erfahrung war und dabei der Erforschung skripturaler Darstellungsmöglichkeiten von Tönen, Rhythmus und Bewegung diente.
(Cornelia Offergeld)
Simone Forti
"Song of The Vowels", 1912
Simone Forti ist Choreografin, Tänzerin, Musikerin, bildende Künstlerin und Schriftstellerin. In ihrer choreografischen Arbeit vereinigt die Doyenne des postmodernen Tanzes in Amerika Themen wie Zufall, Spiel und Regeln, Improvisation, Sprache und Gesang. Als bildende Künstlerin gilt sie als eine bedeutende Protagonistin der amerikanischen Minimal Art. Sie selber bezeichnet sich als "Bewegungskünstlerin". Im Auden-Haus sieht man neben Fortis zeichnerischen Interpretationen der kubistischen Skulptur einer Harfe von Jacques Lipschitz ("Song of The Vowels", 1931-32) eine Videoprojektion, in der Forti - vor dem Garagentor ihres Hauses in Los Angeles stehend - diese Zeichnungen wie eine Partitur in Tanz und Ton übersetzt. Kurze und lange Vokale intonierend, mit Tönen wie "Eee eee eee" oder "Oh-uuuuu" und unter Einsatz ihres gesamten Körpers, wird sie selber zu einer Art Klangkörper, der die Lipschitz-Skulptur interpretiert.
Simone Forti wurde in Florenz geboren und emigrierte 1939 in jungen Jahren in die USA. Sie wurde für einen experimentellen Tanzstil und Choreografien bekannt, die zum Großteil auf Beobachtungen alltäglicher Bewegungen, im speziellen von Kindern und Tieren, sowie auf Improvisation basieren. Eine der großen Leistungen Fortis lag darin, die Grenzen zwischen Tanz und Skulptur aufzulösen und gleichzeitig in die bildende Kunst einen neuen Raumbegriff einzuführen. Als sie 1961 die Gruppe von Arbeiten mit dem Titel "Five Dance Constructions and Some Other Things" uraufführte, wurden Objekte, Holzkisten und Rampen mit Seilen, mit denen die TeilnehmerInnen interagierten, über den ganzen Loft verteilt. Die ZuschauerInnen konnten um die TänzerInnen herumgehen und wurden damit Teil der Arbeit. Über die frühen 1960er Jahre sagte Simone Forti: "Wir waren Künstler, die mit dem Medium der Bewegung arbeiteten".
(Cornelia Offergeld)
Imogen Stidworthy
"Topography of a Voice“, 2008-2009
Die Serie "Topography of a Voice“ ist der Versuch, einen regionalen Dialekt durch unterschiedliche Formen von Übertragung und Übersetzung zu beschreiben. Imogen Stidworthy bat Frauen in Liverpool die für den Liverpooler Akzent Scouse charakteristische Redensart "Get here“ zu wiederholen. Mittels eines Stimm-Analyseprogramms transformierte sie dann diese Worte in gedruckte Stimmlandschaften. Die Künstlerin machte Aufnahmen in unterschiedlichen Stadtvierteln Liverpools mit Frauen aus traditionellen Familien und kürzlich immigrierten Somalierinnen sowie nicht aus der Region kommenden Schauspielerinnen, die geschult wurden, den Akzent überzeugend authentisch zu sprechen. Diese Aufnahmen wurden in das Internationale Phonetische Alphabet (IPA) und in Wasserfall-Diagramme (graphische Darstellungen, die Decibel, Wellenlänge und Dauer eines Tons zeigen) transkribiert.
Parallel dazu lies Stidworthy die Sprecherinnen über ihr Verhältnis zum Akzent und die Eigenschaften, die sie mit diesem verbinden, reflektieren. Anstelle einer zentralen Erzählung transkribierte die Künstlerin die Worte eines Sprachtrainers und Dialekt-Spezialisten, der die Entwicklung des Scouse mit physiologischer Begriffen beschreibt – „eine technische Analyse, welche trotzdem einige der Stereotypen verrät, die im Allgemeinen mit dem Akzent assoziiert werden“, sagt Stidworthy. Die Sprachbeiträge für "Topography of a Voice“ sind Teil einer größeren Sprach-Sammlung für die Arbeit "Get Here“, die die Künstlerin als 10.2 Surround-Sound Installation bereits 2006 konzipierte.
Imogen Stidworthy erforscht in Filmen, Video- und Audioinstallationen die Eigenschaften und die Bedeutung von Sprache, deren physische Umsetzung und Beziehung zum menschlichen Körper genauso wie die damit verbundenen sozialen und räumlichen Dimensionen. Sie beobachtet Phänomene wie Stimme, Spracherwerb, Sprachstörungen oder Übersetzungsprozesse und untersucht die kulturelle Bedeutung von Identität und Interaktion im öffentlichen Raum.
(Cornelia Offergeld)
"I march in the Parade of Liberty But As Long, As I Love You I’m Not Free", 2007- 2008
"I March In The Parade of Liberty But As Long As I Love You I’m Not Free" war eine acht-teilige Performance, in der Sharon Hayes in New York, vom New Museum of Contemporary Art ausgehend, über acht verschiedene Plätze, unter anderem über Union Square, Tompkins Square, Confucius Square in Chinatown und Christopher Street Park wanderte und auf diesen via Megaphon einen fiktiven Liebesbrief vortrug. Als Quellen für den Brief dienten Oscar Wildes Brief, den er aus dem Gefängnis an Lord Alfred Douglas schrieb, New Yorker Zeitungsberichte aus der Anfangszeit der amerikanischen Gay Liberation Bewegung sowie Slogans von Protesten für Queer-Rechte von 1969 bis 1993. Im ehemaligen Schuppen des Auden-Hauses hören wir die Künstlerin, den Brief vortragend. "Für diese Arbeit stand ich mit einem Megaphon in New York auf der Straße und lese einen Liebesbrief an ein anonymes "Du" vor. Ich sehe aus, als ob ich eine öffentliche Rede halten würde, aber ich spreche zu einem/einer Geliebten, von der/dem ich aus irgendeinem Grund, den der Text nicht wirklich erklärt, getrennt wurde. Während ich von Liebe und Begehren erzähle, spreche ich auch über den Krieg und die Art, wie der Krieg unser tägliches Leben, unsere Aktivitäten unser Begehren, unsere Liebe unterbricht und auch nicht unterbricht. Für mich ist diese Arbeit der Versuch über gewisse Überschneidungen zwischen Liebe und Politik zu sprechen, die selten thematisiert werden", erklärt Hayes. Gleichzeitig reflektierte sie über den Unterschied zwischen Sprechen und Hören sowie über die Dialektik zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten. In Videos, Installationen und Performances im öffentlichen Raum unterwirft Sharon Hayes die Schnittflächen zwischen Geschichte, Politik und Sprache einer permanenten Untersuchung und beschäftigt sie sich mit der Entwicklung neuer Repräsentationsstrategien.
(Cornelia Offergeld)
Pamelia Kurstin
"A Solo Performance“, 2013
Auf ihrem ungewöhnlichen Instrument lässt die Musikerin Pamelia Kurstin ohne jeglichen physischen Kontakt, alleine durch Beeinflussung elektronischer Wellen hybride Klanglandschaften entstehen, die an Minimal Musik erinnern, die aber auch in ihrer Einzigartigkeit an eine Sprache denken lassen, in der jedes Wort für sich selber steht. Das Theremin ist ein Instrument, das nicht nur großes musikalisches Können einfordert, sondern auch die Fähigkeit zur absoluten Improvisation. Eine Hand verändert die Tonhöhe, die andere die Lautstärke. Die Künstlerin muss sich vollkommen auf ihr Gehört verlassen. Töne können beliebig lange gehalten werden und sind doch gleichzeitig kontinuierlich veränderbar. In ihren Solo-Konzerten erzeugt die Musikerin durch die Verwendung von Live-Loops mehrstimmige, zum Teil orchestral anmutende Kompostionen, die sie mit reiner Improvisation verbindet. Ihre Stücke baut sie langsam auf und steigert sie stetig zu komplexen Klanggebilden. Für "A Solo Performance“ platzierte Kurstin ihr Instrument zur Ausstellungseröffnung mitten auf einem Waldweg, dem "Dichterweg“, hinter dem Auden-Haus und produzierte dort fragile, magische Klangebäude, die alle räumlichen Grenzen zu negieren schienen.
Pamelia Kurstin gilt weltweit als eine der bedeutendsten Theremin-Spielerinnen. Sie hat mit vielen Größen der experimentellen Musik und des Jazz wie John Zorn, Brad Meldau und Ravi Coltrane zusammengearbeitet, genauso wie mit David Byrne, Yoko Ono und auch Otto Lechner. Oder sie tourte mit der Jazz-Punk-Rock Band Barbez. Daneben begleitet Kurstin Stummfilme und arbeitet mit Visual Artists zusammen. Ihre Solo-CD "Thinking Out Loud“ wurde auf John Zorns, der Avantgarde und der Experimentellen Musik verpflichteten, legendärem Label "Tzadik“ veröffentlicht.
(Cornelia Offergeld)