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KLEINE POST

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Niederösterreich, Okt 2020

Information

12 Künstler*innen, 12 Karten, 12 Botschaften 

Mit dem Projekt KLEINE POST setzt die Kunst in öffentlichen Raum Niederösterreich ein Zeichen der Solidarität für all jene, die in der Zeit der Pandemie besondere Herausforderungen zu meistern haben. COVID-19 hat das Leben aller Menschen auf den Kopf gestellt. Versorgung, Beruf, soziales Miteinander  grundlegende Säulen unseres Alltags waren von einem Tag auf den anderen nicht mehr selbstverständlich. Die Pandemie ist eine kollektive Erfahrung, die sich jedoch individuell anders auswirkt. Sie hat unseren Blick auf das Zusammenleben, auf die Bedeutung von Arbeit an sich und im Speziellen auf „systemerhaltende“ Berufe und damit auf die Verwundbarkeit unserer Systeme verändert. 

Die KLEINE POST möchte stellvertretend für die vielen Einzelnen einen Teil der in Niederösterreich lebenden und tätigen Menschen mit einem Zeichen der Aufmerksamkeit und Wertschätzung erreichen. Das achtköpfige Gutachterinnengremium von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich hat 12 in Österreich lebende Künstlerinnen eingeladen, für Personengruppen ihrer Wahl je eine Karte zu gestalten, die eine Botschaft der Anerkennung, Fürsorge und Solidarität sein soll oder zum Gedankenaustausch über diese für uns alle fordernde Zeit einlädt. In jede Karte sind ganz unterschiedlich persönliche Überlegungen, Eindrücke und Empfindungen eingeflossen. Dementsprechend vielfältig sind die teils mitfühlenden und nachdenklichen, teils humorvollen und aufheiternden, immer aber vielschichtigen Ergebnisse. Die Karten wurden anders als klassische Postkarten in DIN A5 und einem stärkeren Karton produziert, um eine besondere Haptik zu erzeugen. Es wurde den Künstler*innen dabei überlassen, ob sie Vorder- und Rückseite für ihren Entwurf verwenden, einige Karten sind bewusst zum Weitergeben bzw. –senden gedacht. 

Zu den Adressatinnen gehören u. a. Personal und Patientinnen von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Psychosozialen Zentren, Hausärztinnen, Sanitäterinnen, Postbotinnen und Paketlieferantinnen, Lehrer*innen, Asylsuchende sowie Menschen aus sogenannten Risikogruppen. Die Karten werden mit Hilfe unterschiedlicher Institutionen – u. a. der Post, des Roten Kreuzes, des Samariterbunds, der NÖ Landesgesundheitsagentur, der Psychosozialen Zentren gGmbH, des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen oder der Landesberufsschulen – verteilt. Einige der Karten werden in mehreren Gemeinden, wie St. Pölten, Krems oder Waidhofen an der Ybbs an verschiedenen Orten für Interessierte zur Mitnahme aufliegen. 
Wir danken allen Institutionen und Gemeinden für ihre Unterstützung! 

Gutachter*innengremium 2021
Rafael Ecker (Geschäftsführer „NÖ KREATIV GmbH“), Silvia Eiblmayr (Kunsthistorikerin), Petra Eichlinger (Baudirektion Amt der NÖ Landesregierung), Marlene Hausegger (Künstlerin), Peter Kozek (Künstler), Lilli Lička (Landschaftsarchitektin), Heidi Pretterhofer (Architektin), Anton Lederer (Kurator, Leiter < rotor > Graz)

Beiträge

Caceres Imayna

Canciones Relato (Song Story/Erzählung Lied)

Mittels poetischer Zeichnungen verleiht Imayna Caceres ihren Gedanken und Gefühlen Ausdruck. Dabei geht es um menschliche Beziehungen und die Bedeutung medizinischer wie sozialer Berufe, aber auch um unseren Umgang mit der Welt und ihren Ressourcen. In ihren Augen zeigt Covid-19 sehr deutlich, wie abhängig wir sowohl von anderen Menschen als auch von der Natur sind, und wie fragil diese Verhältnisse gerade in Krisenzeiten sind. Beides müssen wir schützen und mit großem Respekt behandeln. 

Adressat*innen: Krankenhaus- und Pflegepersonal

Nikolaus Gansterer

ja wie wollen wir unser zusammen leben gestalten?

In seiner künstlerischen Arbeit beschäftigt sich Nikolaus Gansterer mit grundlegenden Fragen der Wahrnehmung und damit verbundener Formfindung. Wie lassen sich Phänomene und ihre Dynamiken überhaupt fassen, wie übersetzen? Welche Form hat das Zu-einander, aber auch das Gegen-einander oder ein potentielles Mit-einander? Die Zeichnung ist ein Versuch, unserem vagen Bild vom Virus, dessen „Auslösern“, Auswirkungen und Konsequenzen Raum zu geben - ohne oben und unten, sondern im ständigen Wechsel begriffen, wie unsere Standpunkte, die sich gerade jetzt in vielfacher Bewegung befinden. Eine künstlerische Aufforderung, über unser Leben nachzudenken. 
Die Karte „folgt keiner fixen Leserichtung, sondern markiert Spannungsfelder, Denkachsen, Konfliktzonen, fordert Perspektivenwechsel“. Nikolaus Gansterer 

Adressat*innen: an alle Interessierte

Geiger Thomas

Katzenbilder sind der Kitt der Gesellschaft*

(*Daniel Schulz, Der Standard, 20. März 2011)

Die Karte von Thomas Geiger ist zunächst ein humorvoller Kommentar auf die Tatsache, dass Katzenbilder allseits beliebte Sujets in den sozialen Netzwerken sind. Man kann in der Regel davon ausgehen, dass sie auf Sympathie stoßen bzw. positive Gefühle erzeugen. Die Idee, Post an Postbot*innen und Paktlieferant*innen zu senden, hat ebenfalls eine Portion Humor, basiert aber auf der ernst gemeinten Dankbarkeit diesen Menschen gegenüber, die während des Lockdowns eine Verbindung zur Außenwelt waren, auf die man sich verlassen konnte. Sie stellten ein Minimum an Normalität im Sinne eines tatsächlichen Austausches her in einem ansonsten auf den Kopf gestellten Alltag. Und weil Geiger dieses Gefühl der Dankbarkeit und Solidarität als elementare Säulen einer Gesellschaft begreift, will er die Empfänger*innen seiner Karte animieren, sich ebenfalls zu überlegen, wem gegenüber sie dankbar sind – und somit eine „Kette des sozialen Zusammenhalts“ (Geiger) erzeugen. 

Adressat*innen: Postbot*innen, Paketlieferant*innen

Glassner Anne

Spaziergang mit Matratze

Digitale Fotografie (Foto: Christian Prinz)

Während des Lockdowns begann die Künstlerin Anne Glassner einen Dialog mit ihrer Matratze. Die Erforschung des Objektes führte zu einer Vielzahl von fotografischen Arbeiten performativer Settings im privaten wie auch im öffentlichen Raum. Für KLEINE POST hat sie eine der entstandenen Fotoarbeiten ausgewählt, um sie an Ärzt*innen und Krankenhaus- bzw. Pflegepersonal zu adressieren, die in dieser Zeit außerordentlich gefordert waren. Unermüdlich im Einsatz zu helfen und zu unterstützen, wird leicht übersehen, wie groß der Druck ist und welche Verantwortung sie tragen. Dabei sind auch sie Menschen, die mit den gleichen Herausforderungen der Pandemie leben müssen, wie alle anderen. Das Motiv ist ein Angebot für ein mögliches inneres Bild, einen kurzen nach innen gekehrten Weitblick, ein kurzes Durchatmen, einen Moment der Stille – und dann geht es weiter. 

Adressat*innen: Allgemeinärzt*innen sowie Krankenhaus- und Pflegepersonal

Groschup Sabine

DANKE

Die Karte DANKE der Künstlerin, Filmemacherin und Autorin Sabine Groschup ist eine Verdichtung verschiedener Bild- und Zeichenebenen. Jede Schicht – Poesie, Stickerei, Fotocollage, gestanzte Morsezeichen – drückt in anderer Form, in bildlicher wie haptischer Qualität, jenen Dank aus, den die Künstlerin dem Personal der Landeskliniken und Sanitäter*innen gegenüber ausdrücken möchte. Alle Ebenen gemeinsam sind ein Sinnbild für die Fülle an individuellen Erfahrungen in Notsituationen, in denen wir Hilfe erhalten. Sehr oft sind diese Menschen der Grund, warum sich Angst in Hoffnung verwandelt. Von der persönlichen Geschichte über die Lautmalerei bis hin zum taktilen Moment – Dank lässt sich in viele Formen gießen. 

Adressat*innen: Sanitäter*innen, Pfleger*innen, Krankenhauspersonal

Grübl Manfred

Porträtserie

Für den Künstler Manfred Grübl ist Kunst kein starres Objekt im Raum, sondern Interaktion und Kommunikation. Deshalb ist seine Karte nicht einfach nur Nachricht, sondern Einladung – zu einem Porträt. Sie richtet sich an Menschen, die sogenannten Risikogruppen angehören und deren soziales Leben – im Pflegeheim oder Zuhause – im Zuge von Covid-19 besonders betroffen war. Die Einladung ist ein Angebot, zumindest bildlich gesehen zu werden, zu zeigen, dass man da ist, auch wenn man sich zurückziehen musste oder isoliert wurde. So gibt die Fotografie beidem Raum: dem Menschen, der für dieses Projekt von der Peripherie ins Zentrum der Wahrnehmung rückt und der Zeit, die für viele von Schwierigkeiten und Unsicherheit geprägt ist. Aus den Porträts wird ein Büchlein produziert, das allen Teilnehmenden geschenkt wird. Ein „Hallo“ von Bild zu Bild, ein visueller Schritt vom ich zum wir

Adressat*innen: Menschen aus „Risikogruppen“

Hafner Daniel

Untitled

Die Schulschließung war für alle Beteiligten eine schwierige Zeit mit ungekannten Herausforderungen. Es gab schulische Ziele, die ungeachtet der Umstände erreicht werden mussten, und gleichzeitig viele unbekannte Faktoren im Kontext von virtueller Vermittlung, Familien und ihren Möglichkeiten. Daniel Hafners Malerei richtet sich an das Lehrpersonal von Berufsschulen und will den komplexen Belastungen dieser Zeit einen formal minimalen, gleichwohl positiven Impuls entgegensetzen. Das originale Bild wird bis Ende des Jahres in der Landesbibliothek Niederösterreich in St. Pölten zu sehen sein – die Karte lädt zu einem Besuch ein. Sie regt aber auch dazu an, gerade in einer Zeit vermehrter Einschränkung die Bedeutung von Kultur für die Wahrnehmung von Freiräumen zu erkennen.

Adressat*innen: Lehrerinnen und Lehrer der Landesberufsschulen

Andrea Lüth

THE WAY YOU SHOULD BE HELD

Der Wald, dessen Besuch während des Lockdowns zeitweise nur bedingt möglich war, war gleichzeitig der Ort, wo man noch frei atmen und sich bewegen konnte, weil er Distanz zu anderen zuließ. Bei Andrea Lüth steht der abgebildete Wald stellvertretend für Vieles, für Einsamkeit wie für Freiraum, für die Natur als Lebensquelle wie als bedrohtes Gut, je nach Blickwinkel. „THE WAY YOU SHOULD BE HELD”, wie man also umarmt und damit geschtützt werden soll, deutet auf Zusammenhalt in Zeiten der Distanz hin und ist gleichermaßen Anregung zur Reflexion, wie man mit sich und anderen Menschen umgehen sollte. 

Adressat*innen: an alle Interessierte

Osojnik Maja

Doorways 8 / META (ATEM RÜCKWÄRTS)

Doorways 8 / META (ATEM RÜCKWÄRTS) gehört einer Serie von grafischen Partituren an, welche die Künstlerin und Musikerin über die Jahre hinweg für verschiedene Besetzungen bzw. Ensembles gestaltet hat. „META ist eine Art dadaistisches Selbstgespräch, eine kleine Meditation über das Gedicht, verwoben in das Spiel zwischen eigener Stimme und Atem. Man kann versuchen das Stück mit Hilfe der Legende zu entziffern und sich je nach Laune und Geduld verschieden intensiv damit auseinandersetzen. Man kann jeden Tag einem anderen Weg folgen oder eigene neue Wege dazu zeichnen, sie selbst gestalten. Man kann META als kleine Atemübung betrachten oder einfach nur in Stille genussvoll lesen und sich den Klang dazu vorstellen. Man kann andere dazu einladen und gemeinsam als Gruppe das Stück erarbeiten und aufführen. Es gibt bei diesem Stück kein richtig oder falsch, besser oder schlechter. Es ist ein Spiel, das schlechte wie gute Tage erlaubt und damit verschiedenartige Aufführungen; kurze, lange, laute, leise, wilde und ruhige.“ Maja Osojnik 

Adressat*innen: Patient*innen und Personal von Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern 

Parlow Steffi

Parlsches Senfei für dich

Etwas Gutes für sich oder Freunde und Familie kochen, kann Balsam für die Seele sein. Die Künstlerin und Köchin Steffi Parlow hat sich für das Projekt genau diese Maxime gesetzt, Menschen dazu zu bringen, gerade in diesen Zeiten Gutes für sich und andere zu tun. Das Rezept, das sie hierfür vorschlägt, sind Senfeier, Parlscher Art – eine Speise, die sie mit ihrer Kindheit und einem innigen Wohlgefühl verbindet. Sie gibt es weiter an alle mit der Bitte und Aufforderung, es nachzukochen, das Rezept weiter zu geben, sowie ein Foto des gekochten Gerichts per E-mail an die Künstlerin zu senden – um ein soziales Netzwerk der Fürsorge entstehen zu lassen. 

Adressat*innen: Patient*innen, Besucher*innen, Mitarbeiter*innen von Krankenhäusern

Viktoria Tremmel

Goldener Käfig

Sich einzuschließen, um mögliche Gefahren auszuschließen war das Gebot der Stunde.“, so die Künstlerin. Ein unbekanntes Wesen, ein Kopf mit unzähligen Augen und darüber ein Käfig aus Gold. Es ist kein menschliches Wesen, wenngleich es uns nicht gänzlich unähnlich ist, aber hier wohl ganz bewusst Zuschreibungen jeglicher Art ausgespart sind. Der goldene Käfig steht hier sinnbildlich für die Reglementierungen und stellt die Frage, wie wir damit umgehen, wenn diese Einschränkungen zwar dem Gemeinwohl dienen, wir aber die individuellen Auswirkungen weitgehend alleine bewältigen müssen. Wie alle schwierigen Situationen bietet auch diese die Möglichkeit, Bedingungen für gemeinschaftliches Zusammenleben oder gesellschaftliche Visionen neu zu denken und den goldenen Käfig für einen Perspektivenwechsel zu nutzen. 

Adressat*innen: an alle Interessierte

Urban Subjects

The Stars Above Us

Der Lockdown durchbrach die täglichen Arbeits- und Lebensroutinen der gesamten Bevölkerung. Gleichzeitig zeigten sich einzigartige und mutige Formen der Solidarität und sozialer Verantwortung in der Mitte der Gesellschaft. Wir sollten zuhause bleiben, um uns und andere zu schützen. Für jene Menschen aber, die in dieser Zeit kein Zuhause besitzen, sind die an sich schon großen Sorgen kaum vorstellbar geworden. Aus diesem Grund hat das Künstler*innenkollektiv Urban Subjects Karten für die Menschen im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen entworfen und frankiert, sodass sie sie als potentielle Nachricht, als Lebenszeichen, als Kontaktaufnahme verwenden können. Das Bild auf der Karte – der Nachthimmel über dem Erstaufnahmezentrum als geographische Verortung in der Fremde – soll ein klein wenig Hoffnung geben in dieser unsicheren Zeit. Das Weitersenden bietet die Möglichkeit einer Vervielfachung der gegenseitigen Fürsorge und der sozialen Kontakte. 

Adressat*innen: Asylsuchende im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen

Bilder (24)

Viktoria Tremmel, Der goldene Käfig, Kleine Post, 2020, Seite 2
© Viktoria Tremmel