Erlauf Erinnert sich... II
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Information
Die 1200 Einwohner zählende Gemeinde Erlauf im Bezirk Melk verdankt einem jüdischen Emigranten aus Erlauf, dessen Familie 1938 von den Nationalsozialisten vertrieben und ermordet worden ist, die Kenntnis ihrer Teilhabe an der Weltgeschichte: Fast unbemerkt von den BewohnerInnen ereignete sich dort der historische Handschlag zwischen einem amerikanischen und einem sowjetischen General anlässlich der Kapitulation Nazi-Deutschlands am 8. Mai 1945. Die Ausstellung "Erlauf erinnert sich … II - Monumente, Gegenmonumente und Nation" bezog sich auf die beiden vorhandenen Denkmäler vor Ort (das Jenny Holzer Mahnmal und das von Oleg Komov), auf den Ort selbst, auf die Zeit des 2. Weltkriegs und auf den Holocaust.
Mitwirkende
- Kuration
Beiträge
Alice Creischer
"Feindsliebchen"
Alice Creischer nahm sich die konkrete historische Situation, die Begegnung der Generäle zum Anlass ihres 18 minütigen Videos: In "Feindsliebchen" beschreibt Creischer die Stellung in einem symbolischen Grabenkrieg, wobei das Kräfteverhältnis zwischen den Gegnern nie gleich ist. Diese Ungleichheit verweist auch auf die konkreten Machtverhältnisse in der Gegenwart. Das Video wurde im Vorraum des Erlaufer Gasthauses "Moststadl" gezeigt. Die Installation beim Bahnübergang bestand aus Requisiten des Videos. Der Stuhl "ist der Sitz desjenigen der lauert, und die Hosenbeine (eines aus Brokatstoff, ein seidenes mit Frackzipfel und ein Matrosenanzugbein) bezeichnen die Sujets, die observiert wurden". Auf einem begleitenden Flugblatt war (vollkommen unpassend für die Gegend) ein Matrosenlied abgedruckt, das im Video gesungen wird, als die beiden feindlichen Parteien sich trafen.
Sanja Iveković
"Lady Rosa von Luxembourg"
"Lady Rosa von Luxembourg", die hochschwangere und unbekannte Heroine von Sanja Ivekovic ist der "Gëlle Fra", dem Nationaldenkmal von Luxembourg, nachempfunden. Durch die Positionierung gegenüber dem Denkmal Oleg Komovs spielte Ivekovic auf die Rolle des halbwüchsigen Mädchens zwischen den beiden Generälen an. Anstelle des Kindes sollte ursprünglich als verbindende Figur im Komovdenkmal eine Frauengestalt gesetzt werden, was jedoch am Widerstand der Frauen der Bevölkerung von Erlauf scheiterte. Ivekovic's "Lady Rosa" steht als feministisches Mahnmal für die Demütigungen, das Leid und den Schmerz, die viele Frauen durch Vergewaltigung in den Kriegen und auch im zivilen Leben erfahren.
Werner Kaligofsky
Ohne Titel
Werner Kaligofsky hatte Erlaufer Straßen temporär zu Denkmälern umgewidmet. Seine Arbeit ist das Ergebnis mündlicher Recherchen vor Ort zum Thema Holocaust und Widerstand sowie von Akteneinsicht. In ihr geht es um kollektives Wieder-Erinnern: Die Niederdorferstraße wurde in "Familie Brod Straße"und die Molkereistraße in "Familie Weiner Straße"umbenannt. Damit erinnert Kaligofsky and die ausgelöschten jüdischen Familien aus dem Ort. Im Zuge seiner Nachforschungen im Dokumentationszentrum des österreichsichen Widerstands ist Kaligofsky auch auf eine Figur antifaschistischer Widerstandsgeschichte des Ortes gestoßen: aktenkundig ist die Arbeit eines kommunistischen Erlaufer Bürgers, Josef Munk. Sein Name steht als Symbol für die Auseinandersetzung mit und die Rolle des Widerstandes in Erlauf. Bis zum Ende der Ausstellung hieß der Marktplatz Erlaufs "Josef-Munk-Platz".
Dorit Margreiter
"Reichsautobahn"
Ein "horizontales" Denkmal stand im Zentrum der Arbeit von Dorit Margreiter. Die Lage des Ortes an der Autobahn war der Ausgangspunkt für ihre Recherche. In Erlauf sind noch Fundamente der Trasse der ehemaligen Reichsautobahn erhalten. Zu diesem Monument der Moderne, das zum Gegenstand er Kunst erhoben wurde, fand Dorit Margreiter im Film von Hartmut Bitomsky mit dem Titel "Reichsautobahn" von 1986 interessante Quellen: "Bitomsky zeigt die Merkwürdigkeiten in der Bilderflut rund um ein Bauwerk, dessen Qualitäten eher im Mystischen als im Funktionalen lagen". Ursprünglich als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des Dritten Reiches angelegt, als grandiose Erfindung der Architektur – des Tiefbaus – gepriesen und auch heute noch oft als "positive Leistung der Nazis" affirmiert, stellte Margreiter die Autobahn als Objekt kultureller Zuschreibungen aus.
Roman Ondák
"Das Dritte Denkmal"
Roman Ondák aus Bratislava hatte sich mit seinem "Das Dritte Denkmal" konzeptuell in den Ort eingeschrieben und zu den beiden permanenten Monumenten ein stilles Antimonument errichtet. Ondáks zweite Arbeit bezog sich auf die Erlaufer Ortschronik. Sie stellte mit hiesigen Kindergarten- und Schulkindern wichtige Akte in der Lokalgwschichte Erlaufs nach und bezog so spielerisch die Jüngsten als "zukünftige RepräsentantInnen" mit ein. Plakate mit diesen Sujets waren subtil im ganzen Ort verteilt.
Harutyun Simonyan
"Uterus"
Harutyun Simonyan aus Yerivan zielte mit seiner Installation im Wartesaal des Erlaufer Bahnhofs auf eine andere Bedeutung von Monument, auf ein Antimonument: Den Rückzug des Subjekts. In dem Video "Uterus" imaginierte sich der Künstler ins fötale Stadium zurück und spielte gleichzeitig per Videokamera das Außen des Bahnhofs ins Innere des Wartesaals ein. Simonyan ging es hier um die Konstruktion gegenläufiger Blickanordnungen.