Zum Inhalt springen

Erlauf Erinnert sich ... I

Zurück
Beendet
Erlauf, 7.5.2000 – 30.9.2000

Information

Die 1200 Einwohner zählende Gemeinde Erlauf im Bezirk Melk verdankt einem jüdischen Emigranten aus Erlauf, dessen Familie 1938 von den Nationalsozialisten vertrieben und ermordet worden ist, die Kenntnis ihrer Teilhabe an der Weltgeschichte: Fast unbemerkt von den BewohnerInnen ereignete sich dort der historische Handschlag zwischen einem amerikanischen und einem sowjetischen General anlässlich der Kapitulation Nazi-Deutschlands am 8. Mai 1945. Im Mittelpunkt stand die Notwendigkeit der Aufarbeitung unserer Vergangenheit und die Forderung nach einer vermehrten Sensibilität für Ausgrenzung, Rassismen und Alltagsfaschismen. So sollte "Erlauf erinnert sich ..." kein historischer Rückblick sein. Vielmehr richtete die Ausstellung seinen Fokus auf rassistische Tendenzen der Gegenwart und den heutigen Umgang mit Geschichte.

Mitwirkende

Kuration

Beiträge

Ines Doujak

Ines Doujak verwies auf ein spezielles Kapitel österreichischer Nachkriegsgeschichte - den Umgang mit Minderheiten. Am Beispiel der Kärntner Slowenen zeigte sie Zuschreibungen und Missverständnisse im Umfeld des Begriffs "Heimat". Im Schaukasten informierte sie über das Land, die Grenze, die Sprache, den 10. Oktober und den Widerstand. Eine Festschrift sowie ein Kärntner Heimatabend gaben den Bewohnern vor Ort Gelegenheit, mit der Künstlerin das Thema Minderheiten zu diskutieren. 

Nicole Knauer

Das Fremde und die vermeintliche Angst vor dem Fremden war auch das Thema von Nicole Knauer aus Linz. Knauer hatte für Erlauf mehr oder minder explizit fremdenfeindliche Wohnungsinserate aus aktuellen Ausgaben österreichischer Printmedien gesammelt, vergrößert und auf eine Plakatwand geklebt. Bei dieser Arbeit ging es nicht um eine Anprangerung Einzelner. Sie zeigte, wie niedrig mittlerweile die Schwellen der Gesellschaft sind, der Fremdenfeindlichkeit ihren ungezügelten Lauf zu lassen.

Pia Lanzinger

Pia Lanzinger hatte für ihre vier Hörstücke ältere Frauen aus Erlauf zur Identität ihres Ortes als Friedensgemeinde, zu den Themen Migration und Alter, zur aktuellen Politik und zu den Kriegen befragt. Die Künstlerin vermittelte subjektive Zeitgeschichte, die auf sehr vitale Weise Höhen und Tiefen privaten Lebens darstellte. Lanzinger ging es nicht darum, moralisierend auf soziale Defizite hinzuweisen, sondern den Wandel von Gesellschaften aufzuzeigen und Lust auf Kommunikation zu machen. Die Stücke waren in Eraluf im Phonomat neben der Telefonzelle oder via Telefon zu hören. Eine Vitrine im Kaffeestüberl Maureder zeigte Erinnerungsstücke der Frauen.

Adrian Piper

Die Amerikanerin Adrian Piper gilt als Doyenne in der Aufarbietung und Reflexion von rassistischen und sexistischen Zuständen mit Mitteln der zeitgenössischen Kunst. In der Gedenkstätte Erlauf war eine Serie ihrer Zeichnungen "Vanilla Nightmares" zu sehen. Piper zeigte den diskriminierenden Gehalt von Beiträgen über Schwarze und versuchte das Klischee des Bösen, des Vergewaltigers zu unterwandern, indem sie genau jene Bilder noch einmal darstellte, die das Klischee begründen. 

Clemens Stecher

Clemens Stecher stellte in der Auslage einer ehemaligen Schneiderei eine Installation aus Collagen und Fundstücken vor. Er setzte sich mit den Möglichkeiten künstlerischer Reaktion auf die heutige Medienwirklichkeit, die vielfältige Impulse für ebenso vielfältige ästhetische Antworten liefert, auseinander. Aus den täglichen Schlagzeilen und Bildern der Nachrichtenagenturen, aus Werbung, Trivialliteratur und Groschenromanen baute Stecher visuelle Arrangements auf. Die Themen zeigten die Schwierigkeiten des Subjekts mit Selbstbestimmung seiner sozialen Rolle. Der populärkulturelle Bezug wies auf das Fremde oder das vermeintlich Eigene. Im Innenraum hing das Bild einer Bücherverbrennung. In diesem reflektierte Stecher den Antiintellektualismus, der parallel mit dem Erstarken der extrem Rechten in Europa einhergeht.

Milica Tomić

Milica Tomic bezog sich auf das 1995 errichtete Friedensdenkmal des Russen Oleg Komov. Sie nahm die in sozialistischer Tradition geschaffene Skulpturengruppe zum Ausgangspunkt für ihre Fotoarbeiten und ersetzte das Mädchen, welches zwischen den repräsentativen Helden sowjetischer und amerikanischer Herkunft steht, durch das Abbild von Freunden und Leuten aus der Gemeinde. Die Künstlerin wählte Personen ihrer Generation, der 30-40-Jährigen, die den Zweiten Weltkrieg nur vermittelt kennen, und fordert diese sowie die BesucherInnen auf, sich über das "Dazwischenstehen" heute und damals bewusst zu werden. An der Ortsausfahrt waren jeweils Panoramen von Erlauf aus dem Blickwinkeln dieses bronzenen Mädchens zu sehen.

Bilder (4)