Zum Inhalt springen

High Hills

Zurück
Beendet
Krems a.d. Donau, 5.10.2003 – 5.2.2004

Information

Für den Winter 2003 hatte die Kunsthalle Krems einen "Frauenschwerpunkt" initiiert, an dem sämtliche Institutionen der Stadt teilnahmen. Sie selbst zeigte die Ausstellung "Mimosen-Rosen-Herbstzeitlosen. Künstlerinnen-Positionen 1945 bis heute". Nachdem auch das Büro für Kunst im öffentlichen Raum der niederösterreichischen Kulturabteilung zur Teilnahme gebeten worden war gab es eine temporäre Ausstellung im öffentlichen Raum der Kunstmeile Krems in Auftrag. Das Projekt "high hills" entstand. Der Titel sollte für den Weg stehen, den man gehen muss, wenn man sich das Denken und auch einmal das Zweifeln erlauben will. Zunächst waren einige der zur Ausstellung eingeladenen KünstlerInnen wegen des Schwerpunktes verunsichert und befürchteten, danach mit dem Prädikat "feministisch" oder "Quoten-KünstlerIn" dazustehen. Die Vorstellung von "Frauenkunst" zauberte bei vielen die amüsantesten Grimassen im Gesicht hervor. Einige blickten mich aber auch nur mit versteinerter Miene an. Eine Künstlerin merkte ironisch an: „Integration durch Isolation.“ Viele Gespräche folgten. Es galt klarzustellen, dass die Kategorie "Frauenkunst" kein Thema war. Schließlich nahmen alle eingeladenen KünstlerInnen an der Ausstellung teil. Dann musste natürlich noch die Hürde der Genehmigungen genommen werden, was im Fall von "high hills" ohne den guten Willen der Kremser Baudirektion, der Wasserstraßendirektion, des Liegenschaftsamtes, des Gefängnisses, einiger Privatleute und auch der Kunsthalle unmöglich gewesen wäre.

Doch damit war die Akzeptanz des Publikums im öffentlichen Raum noch nicht gesichert. Hier, außerhalb des sicheren Schutzes des Museums, treffen unterschiedliche Interessen aufeinander, die letztendlich ihren gemeinsamen Nenner in gesellschaftlichen Belangen finden. Umso wichtiger schien es, themenbezogen zu arbeiten und einen Denkfreiraum für gesellschaftlich relevante, nicht nur ortsbezogene Fragen zu schaffen, an dem ein Publikum aktiv teilnehmen kann. "high hills" versammelte KünstlerInnen, die sich vor dem Hintergrund des sich als Mensch verstehenden Individuums mit Humor und Subversion den menschlichen Schwächen stellen und sich durch ihr Interesse an gesellschaftlichen Fragestellungen auszeichnen. In diesem Sinn wurde die thematische Konzentration auf die Position und Disposition der Frauen in der Gesellschaft und die Geschlechtertrennung als eine Frage verstanden, die sich permanent als eine von vielen und in einer gleichzeitigen Verschränkung mit diesen stellt. So blieben die Frage nach der aktuellen Bedeutung des öffentlichen Raumes als Abbild gesellschaftlicher Strukturen und damit auch die Frage "Wie ist das Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft?" immer mitgedacht.

Mitwirkende

Kuration

Beiträge

Ana

Am Donauufer stand die abstrakte Metallskulptur der Künstlerin ANA. Die zunächst amorph wirkende Form war an die Gestalt eines Thrones, als ein Ursymbol für Macht, aber auch für Verantwortung, angelehnt. Mit ihrer glatt lackierten Oberfläche spielte die Skulptur auf aktuelle Entsprechungen von Machtsymbolen an, denen der Begriff von Verantwortung nicht mehr eingeschrieben ist. Wie ein Fetisch erzählte sie mit ihren runden Backen mit der glänzenden schwarzen Oberfläche und dem feinen weißen Streifen von der Macht, die schöne Körper und die Vorstellung von Sexualität oder auch schnelle Autos auf die Menschen ausüben. 

Cloed Baumgartner

Den Abschluss Richtung Westen am Donauufer bildete Cloed Baumgartners "Spitze". Aufgemalte Vergrößerungen von Spitzen-, Schürzen- und Dirndelbändermustern zogen sich über die Donauuferpromenade von der Schiffsanlegestelle Richtung Wachau gleich einem riesigem Zierband durch die Landschaft und gaben ihr den Anschein von üppig geschwungenen Rockfalten. Die Spaziergänger wurden an traditionelle Gewänder und die damit verbundene Geschichte und Rolle der Frauen dieser Region erinnert. 

Ricarda Denzer

Die Fotomontage "Fluchtweg" auf der Fassade der Kunsthalle Krems schnitt eine fiktive Schneise durch das Gebäude. Quasi durch einen Perlenvorhang hindurch schaute man direkt auf den kleinen Hof mit Überwachungsturm hinter der Kunsthalle, der an das Gefängnis grenzt. Es ist ein versteckter öffentlicher Raum, der für Museumsbesucher als Fluchweg deklariert ist. Hält man sich in diesem Hof nahe der Mauer auf, kann man ein von der Gefängnisseite herkommendes Stimmengewirr hören. Es wird einem bewusst, dass sich hinter dieser Mauer ein abgeschlossenes Universum mit eigenen Geschäften und eigenen Arbeitsbetrieben befindet. Darauf wies die Künstlerin wie beiläufig hin. Mit dem Blick durch den Perlenvorhang hatte sie fiktiv die Koordinaten gewechselt, und ließ den Betrachter aus einem vermeintlichen Innenraum herausschauen. Indem Ricarda Denzer auf Nebenschauplätze hinweist, die stellvertretend für größere Zusammenhänge stehen, macht sie dem trägen Alltagsauge Verborgenes sichtbar. Diese Räume werden zu Orten möglicher Erzählungen, in denen sich der Blick ungehindert auf das Nicht-Sichtbare richten kann, wenn er kann.

Mona Hahn

Mona Hahn spürt Schwachstellen im öffentlichen Raum auf, die stellvertretend für gesellschaftliche Entwicklungen stehen. Und stellvertretend für einen Handlungsbedarf bessert sie diese aus: In Krems waren ihr die absatzfeindlichen Bodenbeläge des Parkplatzes gegenüber der Kunsthalle aufgefallen. Wie in vielem steckte auch hier der Teufel im Detail, in den kleinen Löchern der Pflastersteine, in die sich die Absätze der Frauen beim Betreten eingraben würden und die somit zeigten, wie wenig Raum die Gestaltung des öffentlichen Raumes doch den Bedürfnissen der Weiblichkeit zugesteht. Wenn Gleichberechtigung bedeute, dass eine Frau auf gewisse Attribute ihrer Weiblichkeit zu verzichten habe, um sich in einem derart männlich konnotierten öffentlichen Raum bewegen zu können, dann könne etwas nicht stimmen mit dieser Gleichberechtigung. So füllte die Künstlerin die Löcher in den Bodensteinen mit Kunststoffgranulat an, um sie mit Damenschuhen betretbar zu machen, und forderte damit ein, Gleichberechtigung nicht als eine andere Form der Unterwerfung zu gestalten. In diesem Sinne war ihr Aufruf "Frauen, seid nicht praktisch!" auf dem Schild des ungewöhnlichen "Frauenparkplatzes", wie die von Amts wegen Beteiligten die Arbeit bald nannten, zu verstehen.

Jasmin Ladenhaufen, Ingeborg Sumann

In der Performance "Freiland" von Jasmin Ladenhaufen und Ingeborg Sumann drehte sich alles um Mode. Im Mittelpunkt der Show und des Videos von Ingeborg Sumann stand die Bedeutung von Tradition in der Mode und den damit verbundenen Ritualen. Wie in einem kubistischen Prozess waren einzelne traditionelle Elemente aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst und zu neuen Gewandkreationen zusammengesetzt. Dahinter schien das Verlangen zu liegen, die Welt auseinander zu nehmen, die Einzelteile zu betrachten und sie dann neu zusammenzusetzen.

Chiara Minchio

Chiara Minchios Beitrag war eine zweiteilige Fotoarbeit, die als Karten versandt wurden und an mehreren Stellen getrennt auflagen. Sie hatte die Arbeit bereits im Jahr 2000 fertig gestellt und sie mir in ihrem Atelier in einem anderen Zusammenhang und zu einem Zeitpunkt, als die Zusammenstellung der Ausstellung eigentlich bereits abgeschlossen war, gezeigt. Es schien auf einmal klar, dass der Ausstellung ohne die Leichtigkeit dieser Fotoarbeit mit den Frauenschuhabsätzen etwas fehlen würde. Es lächelte aus ihr ein Blick heraus auf die zuweilen rührend albernen Anstrengungen der Menschen, die eigene Gedankenwelt zu einem allgemein gültigen Universum zu erklären. Dieser Blick ließ auch Herrn Freud nicht ohne ein Lächeln davonkommen, nach dessen Meinung die Frauen aus Penisneid Absätze tragen. So wie in ihren gemalten Bildern sind die Figuren der Künstlerin in den Fotoarbeiten Opfer und Täter in einem, ungeschlechtliche Fabelwesen, die ihre Last in den teilweise monsterhaft-absurden Deformationen verlieren. Und so ein komisches Monster versucht, auf einem Absatz Platz zu nehmen. Mit seinem nackten Hintern thront es ikonenhaft bildfüllend auf ihm. Dann balanciert sein Kopf auf diesem Absatz und öffnet den Raum für eine Geschichte von einer Person in einem Raum, der sich wiederum in einem größeren Raum befindet.

Elisabeth Penker

"Ist das Schicksal die Anatomie?", fragte die Stimme in Elisabeth Penkers Toninstallation "legal crime". Der Titel ist eine Bezeichnung der Künstlerin für die gesellschaftlich akzeptierten bzw. tolerierten alltäglichen Übergriffe und Diskriminierungen in Bezug auf Geschlecht, Herkunft und Klassenzugehörigkeit.
Die Schiffsanlegestelle an der Donau schien optimal für die Installation. Sie war nur in einem bestimmten Bereich von der Uferpromenade her zu hören. Anwohner gab es keine. Trotzdem musste die Arbeit nach Beschwerden wegen vermeintlicher Lärmbelästigung vorzeitig abgebaut werden. Zwei Tonspuren trugen einen Mix aus verbalen Dialogen, Geräuschen und Soundeffekten von der Anlegestelle über das Wasser zum Ufer: "Werden die Männer auf die einfache Funktion der Reproduktion reduziert?" "Wollen Sie sich männlichen Gesellschaftsstrukturen anpassen?" Die Antwort könnte eine Hommage an das sein, was "sich vorurteilslos der Liebe ergeben" bedeutet: "Complete me, maybe defeat me."

Renata Poljak

Renata Poljak nahm die Fragestellung der Ausstellung zum Anlass, vom Einzelschicksal einer Frau ausgehend das Suchen nach Verständnis für die ständigen Veränderungen und Überschneidungen im Leben, denen der Mensch ausgeliefert ist, zu zeigen. Die kroatische Künstlerin ist eine Erzählerin vom Schicksal an sich, in dem sich Glück und Unglück unsentimental und eindrucksvoll miteinander verbinden. In reduzierten Bildern stellt sie die großen Momente des Lebens einfach dar. Dadurch formen sich die wahren Geschichten, die sie schafft, erst weit hinter unserer Netzhaut. Ihr Video "Today" wurde in einer alten, aufgelassenen Fleischhauerei gezeigt. Man konnte es durch die Fenster von der Straße aus sehen und mittels Kopfhörern hören. Es erzählte von den Erinnerungen, die sich wie ein Code in die Körper der Menschen einschreiben. Eine Frau tritt in drei verschiedenen Lebensabschnitten immer an ihrem Geburtstag auf. Momente der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überschneiden sich und werden in ihrer Unausweichlichkeit dargestellt. In diesem Sinne begann auch die Fleischhauerei, ihre eigene Geschichte zu erzählen. 

Laura Samaraweerová

Mit feinen Gesten, aber nicht ohne beißende Ironie kommen Laura Samaraweerovás Fotoarbeiten aus. Sie lotete das gestörte Verhältnis der Menschen zum Fremden aus und ließ diese sich selbst als Opfer ihrer Vorurteile entlarven, indem sie fremde und vertraute Momente fast unmerklich miteinander vermischte und zeigte, wie fließend die Grenzen zwischen Verstehen und Nicht-Verstehen sein können. Auf den drei großformatigen Bildern an der Gefängnismauer zur Steiner Landstraße entstanden Übergangssituationen des Verstehens. Die Situationen waren von einer sehr eigenen Surrealität, denn vordergründig passte ja alles in dieser hübschen Welt. Aber die Künstlerin hatte uns getäuscht, die Details gehörten nicht zusammen, selbst die Blumen waren nicht echt. Das Fremde war jedoch nicht in den Details verborgen. Es steckte zwischen ihnen, in ihrer Verbindung: Ein Mann sitzt an einem langen Tisch mit einem ordentlichen Bier und exotischen Speisen, die er mittels Gummihandschuhen zu sich nehmen will. Ein anderer sitzt, in südländischer Manier auf Gesprächspartner wartend, vor dem Haus und nutzt den öffentlichen Raum wie seinen Privatraum. 

Konstantin Svesdotschjotov

Konstantin Svestotschjotov zeigt in seinen Collagen gerne Paradoxien im gesellschaftlichen Denken auf. In Krems bot er uns einen selbstverständlich politisch unkorrekten Blick auf den Erfolg der Emanzipation. Eine Frau in Militärhosen, mit Maschinengewehr in einer Blutlache sitzend, ließ er in einer Sprechblase sagen: "Das ist keine Menstruation." Barbusig und in der Haltung einer Renaissance-Venus, war die Frau auf der Parkhauswand Lustobjekt und geschundene Kämpferin zugleich. Mit ihrem Ausspruch verwies der Moskauer Künstler ironisch auf die Ausführungen des libyschen Revolutionsführers Muammar Al. Gaddafi, der in seiner "Dritten Universaltheorie" darüber "aufklärt", dass der Unterschied zwischen Mann und Frau im Menstruieren bestehe, was die Mutterschaft zur eigentlichen Funktion des weiblichen Wesens mache. Darin liege die wahre Freiheit.

Bilder (2)