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Status Quo Vadis

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Beendet
Melk, 19.6.2010 – 12.9.2010

Information

Anlässlich der 50. Spielsaison der 1961 gegründeten Sommerspiele Melk entstand in Kooperation von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich und den Sommerspielen Melk das temporäre Projekt  STATUS QUO VADIS.

Kunst im öffentlichen Raum sieht sich immer wieder dem Anspruch einer Demokratisierung – einer Kultur für alle – ausgesetzt, und konfrontiert mit Spielregeln zu Geschmackslagen und Machtverhältnissen in sozialen Räumen. Kulturinitiativen engagieren sich für Kunst im öffentlichen Raum, um so eine neue Befragung regionaler Kulturwerte einzuleiten. Die sechs Projekte von STATUS QUO VADIS nehmen einen Szenenwechsel vor, setzen an der Nahtstelle von Gesellschaftsdiagnosen zwischen ästhetischen, politischen, und inszenatorischen sowie performativen Abläufen an. PassantInnen, TouristInnenen und TheaterbesucherInnen können in einigen der Projekte selbst zu AkteurInnen in Begegnungen von Gegenerzählungen werden. Von der Donau über die Leopoldsbrücke und den Rathausplatz zur Bettlerstiege des Stift Melks wird eine Kartografie der Neuvermessung von Erfahrungsräumen in der Durchdringung von Choreografien erstellt, die im dramaturgischen Aufeinanderwirken einzelner Projekte mit der Situation vor Ort entstehen. Beabsichtigt ist so eine andere Karte von Melk zu zeichnen, als Expedition in neue Territorien von Kunst und öffentlichen Raum frei von Utopie- und Monumentvorstellungen. Kunst im öffentlichen Raum spielt heute ihre Karten nicht nur als Korrektiv für Kommunikation und Partizipation zur Vermessung von gesellschaftspolitischen Kulturräumen aus, sondern eröffnet Möglichkeitsräume der intensivierten Realitätsproduktion. Natürlich ist hier eine gezielte Erweiterung des Aktionsradius ebenso im Spiel, wie die Realisierung avancierter genreübergreifender Projekte, die von Skulptur über Interventionen bis zu Sound- und Lichtinstallationen reichen. (Ursula Maria Probst)

Mitwirkende

Kuration

Beiträge

Anna C.E.E.H., Michael Salvi

"Melktribüne"

Die Künstlerin Anna Ceeh und der Architekt Michael Salvi bauen auf die Leopoldsbrücke in Melk eine tribünenartige Konstruktion, die als konisch quer nach oben verlaufender 18 m langer elektronischer Soundtunnel immer nur von einer Person betreten werden kann. Die „Melktribüne“ ist direkt vis à vis vom Stift Melk positioniert – versteht sich als dessen interventionistisches Gegenüber. Gleichzeitig referiert die Konstruktion zu den Begriffen von "Widerstand" und "Revolte", zu bewussten politischen und anarchischen Positionen, – den Eckpfeilen von Schillers Wilhelm Tell, der während der Sommerspiele Melk in der unmittelbar neben der Brücke gelegenen Donauarena inszeniert wird. Jeder trifft für sich die Entscheidung, durch den engen Soundtunnel sich nach oben zur Aussichtplattform zu bewegen. In ihrem Aufgreifen konzeptueller Konstruktionsmechanismen spielt die „Melktribüne“ darauf an, wie gesellschaftspolitische Neu-Ansätze sich in Kunst, avancierter elektronischer Musik und Architektur widerspiegeln bzw. vorweggenommen werden.

Female Obsession

"Live Sets"

In der Installation "Live Sets" dringt Female Obsession in den städtischen Raum durch Schriftinstallationen an Schaufenstern vor. Das aktuelle Verständnis von Style Values, eine insistierende Direktheit und eine skeptische Auseinandersetzung mit dem Sublimen geraten in einem zurückhaltenden Umgang mit ästhetischen Medien und Materialien sowie inszenatorischen Momenten in der screenartigen Installation aneinander. Ausgehend von Kunst als "interventionistische Praxis", die auf Beziehungsgeflechte ausstrahlt, werden von Female Obsession jene Phänomene thematisiert, die künstlerische Prozesse in Handlungsoptionen verwandeln. Im funktional durchorganisierten und auf Kommunikation angelegten Zeichensystem des städtischen, kulturellen Lebens gestalten die künstlerischen Interventionen von Female Obsession Impulse gegenüber identitätspolitischen Fragestellungen. Wie inszenieren wir uns selbst im öffentlichen Raum?

Eva Grubinger, Werner Feiersinger

„Two Friends“

Zwei schwarze Schlauchboote (mittels langen Ketten und Betonklötzen am Grund des Flusses verankert) sind die Bestandteile des gemeinsamen Projekts "Two Friends" von Eva Grubinger & Werner Feiersinger. Die Boote dienen als Sockel für das minimalistische Objekt, haben aber auch ihre eigene Geschichte – sie wurden in der Schweizer Armee benutzt und verweisen auf die spezielle Lage der Stadt an der Donau: ein europäischer Fluss, der Menschen und Gütern schon immer als wichtiger Transportweg diente. Die unterschiedlichen Materialitäten und Oberflächen erzeugen eine gewisse Spannung, Momente von Irritation und Verrückung. Die Arbeit im Fluss kann genauso als metaphorische und poetische Geste gelesen werden und demonstriert ihren eigenen temporären Charakter. Der Träger aus Edelstahl ist eine Art ‚reziprokes Readymade', da es sich um keinen massiven, industriell gefertigten I-Träger, sondern um ein handgefertigtes und poliertes Objekt handelt. 

Martin Wagner, Viktoria Tremmel

„Sich ein Stück herausnehmen“

Die KünstlerInnen Viktoria Tremmel und Martin Wagner thematisieren in ihrer Installation im öffentlichen Raum die Symbolik von Macht und Ohnmacht, das ein Leitmotiv der Sommerspiele Melk bildet. Sie versuchen, das breite Spektrum des Themas interventionistisch an einem Ort festzumachen, der schon immer als Schnittstelle galt, dem ersten Durchgangstor auf der Bettlerstiege zum Melker Stift, das als Verbindungsglied zwischen Stift und Volk betrachtet wurde. Der Titel ist sowohl Beschreibung einer Grenzüberschreitung, aber auch als Handlungsanweisung und Aufforderung gedacht: Die BesucherInnen werden eingeladen, "sich ein Stück herauszunehmen", sich partizipativ zu beteiligen und die Installation zu verändern.

Rita Vitorelli, Dan Solbach

"Contained Poetry"

In geht es ganz allgemein um "Geschichten", deshalb gibt es "Ankündigungen" (die Plakate mit Dan Solbach, die stark von einer Alltagsgrafik ausgehen); Aktionen wie das Fallenlassen der Fahnen, die an eine "Geschichte«, eine Aktion, eine Performance denken lassen; eine Fake-Archäologie – die Freilegung eines Stücks Mauer, die aber gar nicht zum Haus gehört. Auch der Titel spielt mit der Vergangenheitsform (contained) bzw. mit dem »Eingedämmten«, weil alle Dinge eine Präsenz haben, die auf eine Vergangenheit oder Zukunft verweist und nicht »voll« in der Gegenwart sind – also ein Spiel mit Zeitlichkeiten. Das Interesse gilt hier weniger dem Objekthaften oder Objekten an sich, sondern an Gesten und freien Assoziationen, die Katalysatoren für Inhalte sein können. Es geht auch darum, Kunst im öffentlichen Raum anders zu denken.

Dorota Walentynowicz, Herwig Weiser

"Vanishing Point"

"Vanishing Point" (erasure script) ist eine Intervention an der Beleuchtung durch Straßenlaternen entlang der Melker Rollfahrerstraße – eine Manipulation des öffentlichen Lichtraumes. Die Standardlampen der Laternen werden durch intensiv leuchtende LED-Lampen ausgetauscht, die sich schnell zwischen den zwei Endpunkten der installierten 15 Lampen bewegen. Die Installation kann wahrgenommen werden als Land Art, als Lichtlinie, die durch die Aulandschaft zwischen der Melk und der Donau schneidet. Gleichzeitig fokussiert diese Intervention von Dorota Walentynowicz & Herwig Weiser auf die Wahrnehmung von Bewegung in ihrer absoluten Form, die sich auf eine filmische Erfahrung bezieht. Während der Dauer der Ausstellung täglich zwischen 21 und 24 Uhr lässt sich diese Lichtperformance live erleben. Ein weiterer Effekt dieser künstlerischen Intervention ist ihre Wirkung als bewegter Blitz, dessen Wiederholung in der loop-artigen schnellen Abfolge einen Rhythmus erzeugt. 

Bilder (3)