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Das Ökosystem Lunzer See ist – bedingt durch seine geografische Ausnahmelage und seine Biodiversität – eines der interessantesten in Europa. Die Architekturstudierenden des Instituts für zeitgenössische Kunst waren dazu eingeladen, in temporären installativen Eingriffen auf die vorgefundene biologische und topografische Situation des Untersees zu reagieren. Im Rahmen einer Lehrveranstaltung in Graz sowie eines Workshops im WasserKluster in Lunz am See, geleitet von Gabi Weiglhofer, erfuhren die Studierenden von den besonderen Bedingungen der Lunzer Seenlandschaft. Insbesondere wurde der Frage nachgegangen, wie der See limnologische Vorgaben, die Formen seiner Bewohner, Nutzer und Gestalter bedingt. Der Untersee ist stark bewohnt – von einer reichen Pflanzenwelt über unterschiedliche Planktons (Zoo- und Phytoplankton) bis hin zu Bachforellen, Seesaiblingen, Groppen, Gründlingen, Elritzen und Flussbarschen. Sämtliche dieser Bewohner benötigen bestimmte Lebensraumvorgaben und passen sich auch in ihrer Form an die Bedingungen des Sees an. In Kooperation mit dem WasserKluster Lunz konnten die installativen Arbeiten Brücken zwischen der Sprache der naturwissenschaftlichen Forschung und künstlerischen, raumgreifenden Praxen schaffen. Aufgrund dieser Vorgaben begannen die Architekturstudierenden des Instituts für zeitgenössische Kunst der Technischen Universität Graz innerhalb der Lehrveranstaltung "Entwerfen spezialisierter Themen" (geleitet von Hans Kupelwieser und Ruby Sircar) im Sommersemester 2009, rund um und im Lunzer See unterschiedliche temporäre, mediale und künstlerische Interventionen zu entwickeln, die sich konkret mit dem Ökosystem auseinandersetzten.
Die Projektarbeiten reichen von Installationen bis hin zu Performanzen im öffentlichen Raum. Neben den Arbeiten, die von den Studierenden entwickelt wurden, erarbeitete auch der Leiter des Instituts für zeitgenössische Kunst, Hans Kupelwieser, einen Beitrag für die Ausstellung im öffentlichen ruralen Raum Lunz. Sämtliche der umgesetzten künstlerischen Projekte arbeiten mit bionischen Formen und spielen mit Inhalten der Public und Land-Art . Die eingesetzten und künstlerisch übersetzten bionischen Formen und Funktionen ergaben Arbeiten von Treibholzinseln über planktonähnliche Unterwasserskulpturen und Seelupen für SchwimmerInnen bis hin zu künstlichen Baumschwämmen, weinenden Bäumen und Aquarien, die den Inhalt des Sees sichtbar und begehbar machen, und einer sprudelnden künstlichen Quelle, die den See bricht.
Das temporäre Projekt war eine Kooperation zwischen dem WasserKluster Lunz und Professor Thomas Hein von der Universität für Bodenkultur Wien und dem Institut für zeitgenössische Kunst der Technischen Universität Graz.
Projektleitung: Hans Kupelwieser, Ruby Sircar
Projektmitarbeit: Markus Pendlmayr
Beiträge
Claudia Maria del Cid Calderón, Miriam Roseane Nascimento Duarte, Hanife Tepegöz
Die erste Arbeit, die die untersuchten Formen der Zooplanktons besprach, wurde von Miriam Roseane Nascimento Duarte, Hanife Tepegöz und Claudia Maria Del Cid Calderon direkt an der Seebühne beziehungsweise darunter, unter Wasser, umgesetzt. Das Projekt „Plankton“ bestand aus drei Pneus, die mit fluoreszierender Flüssigkeit gefüllt waren und je nach Licht (künstlichem bei Nacht und Sonnenlicht bei Tag) zwischen orange und pink changierten. Die Planktonskulpturen schwebten behäbig im See, jede ungefähr sechs Meter groß. Zooplankton at its biggest, eine gemorphte Übersetzung, aufgeblasen, ausgestrahlt und ausgestellt.
Erika Banyayova, Javier Rufat Lopez, Luka Murovec
Ein wunderschönes Projekt, das sich mit der umwelttechnischen Seite der Arbeit, der Beobachtung und Forschung am und im See, beschäftigte war die "Hölzerne Insel" von Erika Banyayova, Javier Rufat Lopez und Luka Murovec. Die bewaldete Umgebung sammelt sich bei Sturzregen und Stürmen in Form von Treibholz auf dem See. Diese künstliche Insel hat dem Treiben ein Ende gesetzt. Sie hat das Treibholz gesammelt, sie wurde mit Booten auf den See hinausgezogen und am Grund verankert. Diese Insel wurde im Sommer von den Jungfischen und Elritzen als schattiger Zufluchtsort besucht. Gleichzeitig nutzten auch Enten und Reiher die Insel als Schlafplatz und zum Fischen.
Christian Fries
Eine weitere Arbeit setzt sich mit Kleinstlebewesen auseinander: Christian Fries lies mit "Waterstars Octopus" leuchtende Kugelwesen, die Seebewohner in unterschiedlichen Stadien ihrer Entwicklung vergrößerte und so für das freie Auge sichtbar machte, auf der Seeoberfläche, als Bojen, schweben.
Barbara Heier, Barbara Sima, Claudia Sohm
Das Projekt "Schw[a]emme" von Barbara Heier, Barbara Sima und Claudia Sohm fand seinen Platz direkt am Seeufer zwischen den Bäumen. Sie spielten mit dem Zusammenhang zwischen Wasser und Uferlandschaft: Industrielle Baumschwämme schwemmen schwammartig. Eine neue Lebensform, die aus den Badezimmern in die Wildnis gekrochen ist. Waschbecken, die durch das Seewasser am Laufen gehalten werden und sich wie Pilze an die Uferbäume kletten. Betrieben wird die Skulptur durch Solarpaneele, wie auch der "Weinende Baum". Die Wassermenge variiert je nach Wetterlage.
Stefanie Jehrlich, Anika Johanna Schaffer
Eine weitere Arbeit setzt sich mit Kleinstlebewesen auseinander: Das Projekt "Planktopien" von Stefanie Jehrlich und Anika Johanna Schaffer ließ die Kleinstlebewesen mutieren und an Land gehen. Sie hingen als transparente Scherenschnitte in den Bäumen der Seepromenade. Ein Panoramafenster wurde aufgemacht, und die Öffentlichkeit konnte den See durch die Augen der Planktons sehen.
David Krottmayer, Nina Kuess, Alexander Poschner
Auch diese Arbeit war ein Zitat zur Besinnung auf den Wert des Wassers und den Umgang damit in Zeiten der weltweiten Wasserknappheit, dessen Untersuchung und Nutzung: David Krottmayer, Nina Kuess und Alexander Poschner brachten einen Baum zum Weinen – eine wunderschöne poetische Arbeit auf dem Grund des Lunzer Seebades, ein „Weinender Baum“, aus dessen Krone magisch Regen unbemerkt im Sonnenschein zu glitzern beginnt, ein Wasserspiel, ein Natur(schau)spiel.
Barbara Wölfl, Barbara Steindl
Die Öffentlichkeit – auch außerhalb des akademischen Labors – anzuhalten und aufzurufen war der Wunsch, den Barbara Steindl und Barbara Wölfl in ihrer Seelupenarbeit "Loupes" umsetzten. Ein Angebot an die Benutzer des Sees, mit riesigen Lupen die Wasseroberfläche abzusuchen oder einen Blick in die Tiefe der unbekannten Seenwelt zu werfen. Große Pneus, die sich leuchtend über die Seeoberfläche schoben und schwebten.
Thomas Untersweg, Stefan Schmoll
Thomas Untersweg und Stefan Schmoll stellten mit ihrer Arbeit "Lake[de]Lights" das Prinzip der Fortpflanzung und Verbreitung dar. Es sind kleine Leuchtobjekte, die sich aus dem öffentlichen in den privaten Raum mitnehmen lassen – bunte Sommergrüße von magnetischen Glühwürmchen. Die Magnete mit LED-Dioden waren an der Rampe der Seebühne befestigt. Tagsüber nur als bunte Pünktchen erkennbar, brachten sie in der Nacht ihren Wirt zum Leuchten. Die Miniaturskulpturen, die bis zu drei Wochen glühten, verschwanden schnell vom Ursprungsort und fanden sich bald im Lunzer Stadtgebiet und in privaten Räumen wie auch in Wien und Graz wieder.
Antonia Nakova, Michael Siesz
Antonia Nakova und Michaela Siesz bezogen mit ihren "Wassersäulen", die sprudelnd am Anlegesteg des WasserKlusters das Wasser aus dem See hoben und oberhalb der Oberfläche sichtbar machten, die Arbeit der Forschungsstation wörtlich in ihre Arbeit ein. Sieht das Wasser so aus, wenn wir es in einer Bohrung über den Seespiegel als Säule transportieren würden?
Hans Kupelwieser
Der Abschluss des Rundgangs um den See wurde von Hans Kupelwiesers Beitrag "Font du Lac" gemacht. Ein spudelnder Springbrunnen, der vom See aus, per Boot oder schwimmend, oder fast versteckt vom Land aus in einer kleinen Bucht hervorbrach, auf der bewaldeten Seeuferseite. Ein Wasserlichtblick. Die Fontäne speiste sich aus dem Wasser der Quellenlinie, die oberhalb des Sees verläuft. Eine Hommage an den See. Ist er nun ein wildes Gewässer, oder wird er als kulturelle Landschaft befriedet?