Martin Strauß,
Stefan Strauß
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Blumen – in Memoriam Martin Strauß
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In seinen künstlerischen Überlegungen für die Stiftskirche ging Martin Strauß von der christlichen "Blumenikonografie" in Verbindung mit den Heiligenlegenden aus. Mit dem Wissen von diesen Legenden über die Heiligen, denen die einzelnen Altäre in der barocken Stiftskirche gewidmet sind, entstand sein Konzept für digital generierte Blumenbilder auf den Antependien der neun Altartische.
Im Sommer 2010 wurde Martin Strauß eingeladen, die Antependien für die neun Altäre der Kirche des Benediktinerstifs Melk, eines der prachtvollsten Beispiele gesamtheitlicher barocker Kirchengestaltung, künstlerisch zu gestalten. Nach seinem plötzlichen Tod in der Planungsphase wurde das Projekt von seinem Bruder, dem Künstler Stefan Strauß, zu Ende geführt. Im Laufe ihrer künstlerischen Schaffensphase haben die Brüder zahlreiche Kunstprojekte im öffentlichen Raum gemeinsam entwickelt. Martin Strauß studierte Philosophie und Soziologie und war Künstler, Kurator und Autor. Stefan Strauß hat Philosophie und Kunst studiert und ist ebenfalls Künstler und Kurator. Beide haben in ihrer Arbeit einen Fokus auf den öffentlichen Raum gelegt, Martin mit einem Schwerpunkt auf Massenmedien, Stefan mit einem auf Architektur.
In seinen künstlerischen Überlegungen für die Stiftskirche ging Martin Strauß von der christlichen "Blumenikonografie" in Verbindung mit den Heiligenlegenden aus. Mit dem Wissen von diesen Legenden über die Heiligen, denen die einzelnen Altäre in der barocken Melker Stiftskirche gewidmet sind, erarbeitete Martin Strauß ein Konzept für digital generierte Blumenbilder auf den Antependien, den Fronttafeln der Altartische. Jedem Heiligen wies Martin Strauß eine Blumenart zu, meist der christlichen Ikonografie folgend, teilweise auch, indem er eigene Analogien schuf. So wurde den Legenden entsprechend dem heiligen Koloman etwa die Holunderblüte zugeordnet, Maria die Mariendistel. Der heilige Benedikt erhielt jedoch als symbolhafte Entsprechung die Lilie und Leopold die Sonnenblume.1 Zum Zeitpunkt seines Todes hinterließ Martin Strauß eine digitale Testmontage für einen der Altäre. Die restlichen Tafeln wurden von seinem Bruder in ihrer Endfassung ausgeführt. "Der zentrale Gedanke war hierbei die Erstellung eines inhaltlichen Kontexts über die explizite Verwendung der reichen christlichen Pflanzen- und Blumensymbolik, die selbstverständliche Notwendigkeit einer Einbindung auch in ikonologischer Hinsicht", schrieb später Stefan Strauß. Martin Strauß griff dabei auf eine künstlerische Idee zurück, die er bei einer Reihe von Blumenbildern bereits 2006 umgesetzt, aber niemals der Öffentlichkeit gezeigt hatte. Damals hatte er eine Vielzahl von Fotografien zu dichten, hochkünstlichen Blütenteppichen montiert. Im Gegensatz zu diesen Ornamenten sind die einzelnen Blüten auf den Antependien in der Stiftskirche enorm vergrößert worden und unregelmäßig, nicht bildfüllend angeordnet. Dem portugiesischen Adjektiv "barroco" entsprechend, das unregelmäßig geformte Perlen bezeichnet und aus dem der Begriff "Barock" entstammt, unterscheiden sich alle Blüten im Detail voneinander. Der ins Extreme gesteigerter Hell-Dunkel-Kontrast lässt die Bilder hochartifiziell, die unregelmäßige Verteilung lässt sie bewegt erscheinen. All diese formalen Ausprägungen können als Referenz an die barocke Ausstattung der Kirche, an die damit verbundene Lichtmystik, die Negation aller statischen Ordnung und die Steigerung visueller Wirkung verstanden werden.
Es ist offensichtlich, dass Strauß nicht nur die Übersetzung von Inhalt in Form im Blick hatte und dabei die christliche Ikonografie nutzte. Er hat präzise nach einer zeitgenössischen künstlerischen Entgegnung auf die barocke Gestaltungsaussage der Kirche gesucht. Auch wenn die Schönheit der Blumenbilder täuschen mag, kann seine Installation als intellektuelle Analyse mit formalen Mitteln verstanden werden. Zum einen versuchte der Künstler, die Themen der Altäre mit neuen Sichtweisen zu betrachten, und fand dafür andere inhaltliche Verknüpfungen als die hergebrachten – wie die Lilie, die in der alten Malerei üblicherweise als ein Symbol für die Verkündigung eingesetzt wurde, aber nicht als Attribut des heiligen Benedikts. Zum anderen setzten sich Martin und Stefan Strauß mit der barocken Bau- und Bildsprache an sich auseinander und reagierten auf sie mit Bildcodes der heutigen Zeit, mittels deren wir die Essenz dieser Sprache lesen können.
(C.Offergeld)