Let's Sink
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Leo Schatzl hat ein fundamentales Interesse an der Idee der sozialen Skulptur und dem transformativen Potenzial der Kunst. Er tritt für eine radikale Erweiterung der Möglichkeiten von und für Kunst in der Gesellschaft ein. Zusammen mit seinen Studenten verwandelte er die Artist’s Residency während der Wellenklaenge in ein Abenteuer. So war er in der Lage, seine Auseinandersetzung mit Wasser als einem öffentlichen Raum zu vertiefen – einer der künstlerischen Fragenkomplexe, der ihn im Moment am stärksten beschäftigt – und die Vorstellungen von physischen und bürokratischen Grenzen zu hinterfragen. Die Studenten ihrerseits konnten unabhängig von den greifbaren Resultaten nützliche Erfahrungen sammeln, die ihnen in ihrer künstlerischen Entwicklung weiterhelfen werden. Einige Studenten, wie Maximilian Anelli-Monti, dessen ursprüngliche Idee nicht realisiert wurde, wurden in anderer Hinsicht unverzichtbar für das Projekt. Er erstellte zum Beispiel eine gewissenhafte fotografische Dokumentation von Let’s Sink, die die Basis für die meisten Bilder einer Postkartenedition war und die die vielen Etappen im Verlauf des Projekts festhielt.
Walt Whitman schrieb 1876-77: "Wenn du ausgekostet hast, was auszukosten war in Geschäft, Politik, Geselligkeit, Liebe und so fort, und fandest, daß keines von diesen restlos befriedigt oder auf die Dauer taugt, was bleibt dann? Die Natur bleibt…". Leo Schatzl und seine Studenten verkörpern den unabhängigen Geist des amerikanischen Philosophen und den fortwährenden Glauben an das Recht auf ein freies und selbstbestimmtes Leben. Ihre Kunst, auf eine sanfte Weise subversiv, humorvoll und hinterfragend, verwischt die Grenzen zwischen Design, Funktion, Wissenschaft, Technologie und Nützlichkeit. Was von Let’s Sink bleibt, ist der Nachweis der Möglichkeit, in seiner eigenen Einflusssphäre eine Veränderung anzustoßen. Während die grundlegende Frage, die wir im 21. Jahrhundert stellen müssen, offenbleibt: Kann unsere Natur, die menschliche Natur, der Natur tatsächlich erlauben, bestehen zu bleiben?
(R.Gadsen)
Contributors
- Kuration
Contributions
Maximilian Anelli-Monti
"Eine Anachronistische Reise"
Maximilian Anelli-Monti's Absicht war es, ein Künstlerbuch über das Thema des Wanderns durch die Landschaft rund um den Lunzer See in der Tradition des alpinen Tourismus und der Romantik des 19. Jahrhunderts zu gestalten. Das Projekt war, laut Schatzl, ein wertvolles Experiment in Anelli-Monti’s Entwicklung als Künstler.
Theresa Auer
"156 01 Lunz am See"
Theresa Auers Idee bestand darin, eine diagrammatische Darstellung der Veränderungen des Ortes in Wechselwirkung mit der Verkehrssituation zu entwickeln. Diese wurde auf der ehemaligen Fahrplantafel im stillgelegten Bahnhof von Lunz am See präsentiert.
Katharina Gruzei
"Pool Projekt" (nicht realisiert)
In der Umkehrung einer Zeile von T.S. Eliot, "ging" Katharina Gruzei nicht mit Gewimmer "unter", sondern mit einem Knall. Gruzei formulierte drei Projekte für Let’s Sink, bei denen manches nicht wie geplant ausgeführt werden konnte. Für die Gruppe war das Beobachten dieses Prozesses lehrreich. Die Studenten konnten in einer realen Situation erleben, was eine Künstlerin durchmachen muss, die Interventionen im öffentlichen Raum vornehmen möchte. "Let’s Sink", geplant auch als ein Lernlaboratorium, erfüllte auf diese Weise seinen Zweck. Ein von Katharina Gruzeis nicht realisiertes Konzept trug den Titel "Pool Projekt". Wie eine Wunde klafft mitten in der Stadt eine große Grube. Sie ist das Überbleibsel eines bankrott gegangenen Bauprojekts für ein Wellness-Center. Gruzei wollte die Grube in einen typischen Swimming Pool verwandeln. Wie bei Tantalus und den Trauben bliebe den Besuchern und Bewohnern der Stadt nur das Träumen vom Schwimmen, ohne jemals den Genuss zu erleben, es auch zu tun. Pool Projekt war auch ein Verweis auf die Politik der Spekulation, das große Geld und das (angebliche) Bedürfnis nach Luxus.
Eines von Gruzei's realisierten Konzepten hieß "As A Matter of Desire". Das Marktwappen von Lunz am See zeigt ein weißes Einhorn. Gruzei befestigte an der Stirn eines weißen Pferdes ein Horn und lies das Tier am unbewohnten Südufer des Sees in Erscheinung treten, ohne dieses Ereignis vorher anzukündigen. Ohne Zweifel hatten einige Bewohner und Touristen dieses "Einhorn" gesehen und diese Nachricht verbreitet. Ihre Idee bestand darin, auf diese Weise einen Mythos und eine Legende hervorzubringen, die wachsen und sich durch Mundpropaganda verbreiten würde. Dies würde etwas erschaffen, das über die räumlichen und zeitlichen Grenzen des Festivals hinweg Bestand hätte und das so eine Eigendynamik entfalten und neue Dimensionen annehmen könnte.
Im Zusammenhang mit der sogenannten österreichischen Identität an sich bekommt "As A Matter" of Desire aber noch eine weitere Bedeutung, nämlich einen Bezug auf grundlegende kulturelle Werte der Kulturnation Österreich. In der kaiserlichen Schatzkammer, im ältesten Teil der Hofburg, der ehemaligen Residenz der Habsburger Kaiser im Zentrum Wiens, befinden sich zwei außergewöhnliche Objekte. Diese Gegenstände wurden zu den zwei unveräußerlichen Erbstücken des Hauses Habsburgs erklärt. Alle anderen Schätze des Kaiserreiches hätten verkauft werden können oder waren verhandelbar; nur diese zwei Objekte – mit ähnlich „magischen“ Kräften behaftet wie der Stein von Scone – mussten für immer im Besitz des Geschlechts der Habsburger bleiben. Das eine Objekt ist eine Achatschale, bei der es sich um den Heiligen Gral handeln soll. Das zweite Objekt ist das Ainkhürn, das Horn eines Einhorns (bei dem sich schließlich herausstellte, dass es von einem Narwal stammt).
(R.Gadsen)
Julia Hartig
"Umkleide O.S.T.4"
Julia Hartig wollte ebenfalls das geheime Leben des Sees erkunden und sich zugleich ihren eigenen Ängsten vor der Tiefe und der Dunkelheit stellen. Zu diesem Zweck belegte sie einen Tauchkurs in Lunz und filmte dann unter Wasser. Aus Tonaufnahmen, die sie vor Ort gemacht hatte, erzeugte sie einen Soundtrack und machte daraus eine Toninstallation ("Umkleide O.S.T.4") in einer der Umkleidekabinen.
Alex de las Heras, Julia Hartig
"process51"
Hartig war gemeinsam mit Alex de las Heras noch für ein weiteres Projekt verantwortlich: "process51". Auf der Wasseroberfläche des Lunzer Sees, in der Nähe der schwimmenden Festivalbühne,, verankerten sie einen aus rund 13.000 Weinkorken zusammengeknüpften Teppich. Touristen und Festivalbesucher hatten Spaß daran, auf den Teppich zu klettern und sich mühelos auf dem Wasser treiben zu lassen.
Die Farben des Teppichs ergaben sich aus der natürlichen Färbung der Korken: Rot für Rotwein und korkfarben für Weißwein. Das Muster basierte auf nomadischen und orientalischen Teppichentwürfen. Ein so großer, handgeknüpfter Teppich aus den traditionellen Materialien wäre zweifellos ein Ausdruck des Luxus, aber Hartig und de las Heras waren nicht daran interessiert, Extravaganz hervorzuheben. Vielmehr war es eines ihrer Hauptanliegen, das Thema Recycling und die erfindungsreiche Wiederverwertung von Materialien zu betonen. Die Arbeit an diesem Projekt dauerte über zwei Jahre und sie opferten zahllose Stunden für das Sammeln und das Zusammennähen der Korken von Hand. Sie richteten auch eine Webseite ein, die den Fortschritt des Projekts dokumentierte
Alex de las Heras
"Platforms Where My Balance Is Impossible"
Alex de las Heras trug zu Let’s Sink auch noch ein eigenes Projekt bei, in dem Skulptur und Performance verknüpft sind. In "Platforms Where My Balance Is Impossible" versuchte de las Heras, auf einer selbst gebauten, schwimmenden Plattform zu stehen. Diese Plattform bestand aus zusammengebundenen Holzabfällen und Treibholz, das er in Lunz gesammelt hatte. Das Verwenden von Holz spielt wieder auf die ökologischen Anliegen von process51 an. Das Thema seiner Einzelarbeit ist der sich stetig wiederholende, erfolglose Versuch, das Gleichgewicht auf einem Objekt zu erlangen, das so konstruiert war, dass dieses Unterfangen nicht gelingen konnte. Man könnte das als einen Kommentar auf die condition humaine verstehen, aber auch als eine Veranschaulichung des Zyklus’ von Erfolg und Scheitern, der die globale Ökonomie antreibt
Eginhartz Kanter
"welcome - 湖边的仑茨"
LUNZ AM SEE geschrieben in monumentalen logografischen hanzi Schriftzeichen, aus Holz geschnitten, in kräftigem Rot bemalt und auf der Oberfläche des Sees platziert, das war Eginhartz Kanter’s Idee gewesen. Das Projekt "welcome - 湖边的仑茨" stellte einen Bezug zu Konzepten von Original und Kopie her und erinnerte an das aktuelle chinesische Vorhaben, das Dorf Hallstatt aus der ähnlich unberührten Landschaft um den Hallstätter See in Österreich in der Provinz Guangdong nachzubauen. Anstatt die Schriftzeichen auf der Wasseroberfläche schwimmen zu lassen, mit der alpinen Szenerie im Hintergrund, blieb die Arbeit im stillgelegten Bahnhof von Lunz am See, wo der Künstler sie auch gebaut hatte.
Rainer Noebauer
"Sin King"
Das Objekt und die Intervention, die bei der lokalen Bevölkerung mit Abstand für den meisten Gesprächsstoff sorgte, war "Sin King". Rainer Noebauer gelang mit seiner Arbeit eine wahre Tour de Force. Er verwandelte einen 3er BMW, von dem nur das Heck aus dem Wasser ragte, in eine Art Boje. Der Winkel, den das Heck einnahm, erweckte den Eindruck, als sei das Auto über eine Klippe gefahren und ins Wasser gestürzt. Einige der Einheimischen schienen diese Skulptur für pietätlos zu halten, da sie entweder selbst Opfer eines Autounfalls gewesen waren oder ein Opfer kannten. Außerdem vertraten manche die Meinung, dass ein aus dem Wasser ragendes Autoheck eine Art Verschmutzung des Sees darstelle. Der Lunzer See ist nicht nur ein idyllisches und schönes Naturschutzgebiet, sondern auch ein Naturdenkmal mit allen Konnotationen der Ehrerbietung, des Respekts und des Gedenkens, die damit einhergehen.
Noebauers Objekt stellte einen Spiegel dar, in dem die Betrachter ihre eigenen Prioritäten und Werte studieren konnten. Rund um den See gibt es geteerte Autostraßen und Parkplätze und diese autogerechte Infrastruktur bestimmt die Landschaft. Statt rund um den See herumzufahren, besetzte in "Sin King" ein Auto auch das Epizentrum. Das Kunstwerk hat natürlich nicht nur für Irritationen gesorgt, es hat Leute auch zum Lächeln gebracht. Touristen in gemieteten Elektrobooten inspizierten es aus der Nähe und wunderten sich. Die Absurdität der Skulptur erinnerte an die humorvollen Aspekte der Pop Art. Die scheinbare Mühelosigkeit der Arbeit, die im Wasser auf und ab schaukelte wie ein überdimensionales Spielzeug, täuschte über die herausragende technische Lösung hinweg, die Noebauer für deren Verwirklichung entwickelt hatte.
Sun Li Lian Obwegeser, Antonia Prochaska
"I Sink Therefore I Am"
Verletzlichkeit, ein Hauptthema von "Sin King", war auch eines der zentralen Anliegen der Performance "I Sink Therefore I Am" von Sun Li Lian Obwegeser und Antonia Prochaska, die bei der Eröffnungszeremonie des Projektes aufgeführt wurde. Die beiden Künstlerinnen sind fasziniert von der Zombie-Kultur. Und in ihrer Performance, mit ihren Elementen der Monotonie und Wiederholung, ging es um Anspielungen auf den Tod, Nahtoderfahrungen und die Unmöglichkeit eines endgültigen Todes, wie sie eben auch im Konzept des Zombies angelegt ist.
Obwegeser und Prochaska konnten ihre Ideen nur mit der bereitwilligen Hilfe der anderen Studierenden verwirklichen, die am Artist in Residence Projekt teilgenommen haben. Ihre Performance demonstrierte, wie wichtig Räume kollektiven Handelns für den Erfolg gesellschaftlich relevanter Aktionen sind, die außerhalb der Norm stattfinden. Die Künstlerinnen standen auf zwei getrennten Flößen, die durch die unter ihnen schwimmenden Künstlerkollegen über den See bewegt wurden, indem diese sie vorwärts schoben (!). Auf dem einen Floß befand sich Prochaska, in ein goldenes Gewand gekleidet, das das Licht reflektiert, während sie durch ein Megafon sloganartige Texte rezitierte. Auf dem anderen Floß war Obwegeser, die eine Perücke aus hüftlangen Videokassettenbändern trug und einen selbst komponierten Soundtrack aus musikalischen Loops vorspielte.
on/on
Als eine spezielle Darbietung, etwa zur Halbzeit der Artist’s Residency, bot die Gruppe "on/on …" eine musikalische Performance auf der Festivalbühne dar. Die Musiker befanden sich während ihrer Aufführung in einem riesigen Oktopus aus schwarzen Plastikabfallsäcken, der mit Luft gefüllte Tentakel hatte. Im Verlauf der Performance schnitten sie sich ihren Weg aus dem Oktopus heraus.
Christine Pavlic
"Liselotte Maier"
Christine Pavlic präsentierte ein originelles Objekt, das sowohl an Land als auch auf dem Wasser funktioniert, genannt "Liselotte Maier". Pavlic meinte, da Boote normalerweise einen Namen bekämen, hätte sie auch ihr Boot-Objekt getauft. "Liselotte Maier" besteht im Grunde nur aus einem Surfbrett, das der Länge nach halbiert und so in einen Katamaran verwandelt wurde, einem Propeller und einem Fahrrad oben drauf. Wenn man auf dem Fahrrad sitzt und in die Pedale tritt, kann man sich auf dem Wasser vorwärts bewegen. Wenn man das Ufer erreicht hat, kann man das Fahrrad abmontieren und dann auf dem Land weiterfahren. Diese Arbeit besticht durch ihre Einfachheit und Cleverness, sie ist subtil und elegant. Es handelt sich um einen Designprototyp, der einen hohen praktischen und auch ästhetischen Wert hat. Als man Pavlic bei der Eröffnung von Let’s Sink über den Lunzer See radeln sah, wurden unweigerlich Assoziationen zur biblischen Geschichte von Jesus, der auf dem Wasser wandelt, wach. Die Vorstellung, dass Jesus jetzt eine Frau war, die moderne Technologie benutzte, gab der Performance eine augenzwinkernde Note