Ines Doujak
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Karawanen
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In der Ausstellung Karawanen im museumORTH zeigt Ines Doujak neue, eigens für die Ausstellung produzierte Arbeiten, die sie im Dialog mit der Sammlung alltagskultureller Gegenstände präsentiert – in Verbindung mit einer imposanten Großskulptur im traditionell für die zeitgenössischen Ausstellungen reservierten „Turmzimmer“.
In vielen ihrer Arbeiten geht die Künstlerin den Bedingungen von Unterdrückung auf den Grund und veranschaulicht, wie historische Ereignisse und Entwicklungen bis in die Gegenwart reichen, wie beispielsweise koloniale Ausbeutung des 19. Jahrhunderts mit unserer Lebensrealität heute zusammenhängt. Eingebettet in kritische Diskurse sind ihre Arbeiten das Ergebnis aus der Verbindung von künstlerischer Recherche mit Praktiken aus Performance und (politischem) Aktivismus: Theatralik, Unmittelbarkeit und der bewusste Einsatz des menschlichen Körpers kennzeichnen sowohl visuelle Strategien von Protestbewegungen als auch Doujaks künstlerische Sprache. Mit ihren Collagen, Skulpturen, Installationen und performativen Interventionen, in denen sie mitunter drastische Bilder einsetzt, wenn es darum geht, verstörende Inhalte aufzuzeigen, vertraut sie auf die Macht von Bildern.
Assoziationen zu temporären Skulpturen von Paraden oder Protestkundgebungen, zu Dada und Nostalgie-Kinderspielzeug lässt die (noch kleine) Armee aus lebensgroßen „Robotern“ aufkommen, die sich unter Exponate der permanenten Sammlung gemischt haben. Aus Kartonverpackungen zusammengesetzt sind die fünf Figuren, deren Rohmaterial aus den Altpapiercontainern Wiens stammt, mit T-Shirts bekleidet, die ein von der Künstlerin entworfenes Wappen ziert. Dieses heraldische Zeichen – von jeher Ausdruck von Macht – kehrt an mehreren Orten in der Ausstellung wieder, so auch auf einer Flagge oder als Allover-Muster auf einem eigens angefertigten Kleid von Doujaks „Modelabel“ Not Dressed For Conquering.
Mit den Mechanismen und Auswirkungen des globalen Handels hat sich die Künstlerin schon vielfach und im Rahmen unterschiedlicher Werkkomplexe wie des bereits erwähnten „Modelabels“ oder der Arbeiten zu the economics of desperation beschäftigt. Ihre neuesten Arbeiten beziehen sich konkret auf Chinas aktuelles Infrastruktur-Großprojekt, die sogenannte „Neue Seidenstraße“. Auch bekannt als „One Belt, One Road“-Projekt ist sie das ambitionierteste Infrastruktur- und Handelsprojekt der Volksrepublik China unter ihrem Staatspräsidenten Xi Jinping.
China sichert bzw. schafft auf diese Weise Absatzmärkte und treibt seine wirtschaftlichen Interessen massiv voran. Mit der Seidenstraße als „Anker in Europa“ und mit den Mitteln von „Soft Power“ – also Bedeutungsgewinn und ökonomischer Expansion durch Investitionen, Entwicklungsprojekte, kulturelle und diplomatische Ausdehnung von Einflussbereichen – macht sich China gerade zum Vorreiter einer neuen Form der Globalisierung. Die Zeiten, in denen die weltweit bevölkerungsreichsten Länder China und Indien von westlichen Industriestaaten in erster Linie als Absatzmärkte oder Billigproduktionsländer betrachtet werden konnten, sind eindeutig vorbei. Der chinesische Vorstoß bei der „Neuen Seidenstraße“ zeugt von einem Expansionswillen und auch von einer radikal auf die Zukunft ausgerichteten Politik, die vielen Regierungen westlicher Demokratien abhanden gekommen ist – ein Umstand, der vielleicht auch als ein „Symptom“ der gegenwärtig vielfach diagnostizierten Krise der Demokratie – und gleichzeitig des Kapitalismus – gesehen werden kann.
Die Lage an der Donau macht das museumORTH zu einem für Doujaks neueste Arbeiten prädestinierten Ausstellungsort. Die Donau spielte eine zentrale Rolle bei der Besiedlung und politischen Entwicklung der zentral- und südosteuropäischen Staaten. Mit dem Titel Karawanen spiegelt Doujak die bewusst verharmlosende und romantisierende Bezeichnung der von China initiierten „Neuen Seidenstraße“. Mit diesem verklärten Bild hat die hochtechnologische, digital vernetzte und robotisierte „Neue Seidenstraße“ nichts gemein.
Das von Doujak entworfene Wappen der „Neuen Seidenstraße“ zeigt in einer provokativen visuellen Mischung einen Drachen, der einen Containerzug verschlingt, als Wappentier, eine Kamelkarawane, Seidenraupen, chinesische Exportschlager wie Hühnerhaxen, chinesische Pfingstrosen und einen betrunkenen Pandabären. Der alles verschlingende Drache symbolisiert die „Neue Seidenstraße“, die Karawane und die Seidenraupen verweisen auf ihren Ursprung in der historischen Seidenstraße, und die Pfingstrose spielt als Symbol für Reichtum und Glück eine bedeutende Rolle in der chinesischen Kultur. Das komplexeste Symbol des Wappens ist sicher der betrunkene Pandabär mit dem goldenen Krönchen: Kritiker von Staatschefs Xi Jinping haben ihn mit der Kinderbuchfigur Winnie Puuh, einem Bären „von sehr geringem Verstand“ verglichen – woraufhin sowohl der Name als auch Bilder des Bären, der nie genug Honig fressen kann, der chinesischen Internetzensur zum Opfer gefallen sind. Doujak hat den kleinen, dicken Bären „chinesisiert“ [1] und in einen berauschten Pandabären verwandelt.
Die beinahe raumfüllende Skulptur Skins im sogenannten „Turmzimmer“, eine „wirkmächtige Monsterblume“ [2] zeigt eine schwarze Figur, ein Ballonmännchen, das einen Teufel darstellt [3], der ein Bouquet mit verschiedenen psychedelischen Pflanzen wie Mohnblumen (Opium), Stechäpfeln, Engelstrompeten oder Yopo in Händen hält. Die Skulptur bezieht sich auf die Zeit der kolonialen Expansion, als einerseits ekstatische Bewusstseinszustände aus den europäischen Gesellschaften verbannt wurden und gleichzeitig der Handel mit Drogen zum Motor und Vorläufer des globalen Handels avancierte. Die Künstlerin spielt mit dieser Arbeit auf die Opiumkriege zwischen Großbritannien und China an: Mit der „Neuen Seidenstraße“ scheint China nun auf der globalen Überholspur.
Bettina Spörr
[1] Unter Links
[2] Hilde Fuchs, Kuratorin der Ausstellung, in einem E-Mail an die Autorin.
[3] Von Ines Doujak im persönlichen Gespräch als „Teufel“ bezeichnet.
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- Kuration