Zwischen den Regalen & what we can`t contain
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Zwischen den Regalen & what we can’t contain markiert den Höhepunkt eines achtmonatigen künstlerischen Forschungsprojektes in Weikendorf, das von zwölf Studierenden der Klasse für ortsbezogene Kunst im Rahmen der von Katrin Hornek geleiteten Lehrveranstaltung „Thinking with and learning from Weikendorf I+II“ an der Universität für angewandte Kunst Wien durchgeführt wurde. Die Ausstellung beschäftigt sich damit, was es bedeutet, ortsbezogen zu arbeiten und setzt sich dabei nicht nur mit dem Kunstraum oder der für Weikendorf charakteristischen Landschaft und Architektur auseinander, sondern auch mit den Geschichten, die von der lokalen Bevölkerung erzählt werden oder die materiell in die gefundenen Objekte eingeschrieben sind.
Zu Beginn des Prozesses konzentrierten sich die Studierenden auf Weikendorfs Lage im Marchfeld, eine der führenden landwirtschaftlichen Regionen Österreichs, die oft auch als die „Korn- und Gemüsekammer“ des Landes bezeichnet wird. Die Speisekammer, sowohl in konzeptueller als auch formaler Hinsicht, war der Ausgangspunkt einer kollektiven Auseinandersetzung mit dem Thema Essen und den Praktiken, die im weiteren Sinne mit seiner Herstellung, Konservierung und Verteilung verknüpft sind. In der Klasse für ortsbezogene Kunst gibt es zum Beispiel das für die Pflege des Gemeinschaftsgefühls zentrale Ritual, vor den wöchentlichen Unterrichtsstunden gemeinsam zu Kochen und zu Essen.
Auf der Basis dieser gemeinsamen Perspektive entwickelten die Studierenden eine Reihe von individuellen Projekten, die auf verschiedene lokale Gegebenheiten reagieren: eine eingestürzte Scheune, ein örtliches Denkmal, ein gefundenes Buch, aussortierte landwirtschaftliche Gerätschaften, geschlossene Getreidesilos, Erdproben und Gespräche mit der Einwohnerschaft und Saisonarbeitskräften. Die in der Ausstellung versammelten Arbeiten, setzen sich mit den Themen Aufbewahrung und Konservierung auseinander und hinterfragen, wie wir sowohl Essen als auch kollektive Geschichte(n) bewahren können. Sie laden die Öffentlichkeit ein, über die historischen Veränderungen und gegenwärtigen Realitäten der Haus- und Feldarbeit nachzudenken.
Das gemeinschaftlich entworfene Herzstück der Ausstellung, Zwei Regale, stellt sowohl eine Ausstellungsarchitektur dar, auf der die einzelnen Projekte präsentiert werden, als auch eine eigenständige Skulptur. Auf diese Weise verschwimmt die Unterscheidung zwischen Display und darin Ausgestelltem, zwischen dem Behältnis und Inhalt. Das Holz für die Regale stammt aus der ehemaligen Scheune der Familie Böhm, die nach dem starken Regen im Herbst 2024 einstürzte. Zu diesem Zeitpunkt war die Scheune bereits nicht mehr in Gebrauch und durch eine neue ersetzt worden, die gebaut wurde, um größere Maschinen für die industrielle Landwirtschaft zu beherbergen. Das verwitterte Holz, an verschiedenen Stellen mit den Einritzungen von früheren Landarbeiterinnen und Landarbeitern verziert, stellt ein materielles Zeugnis der örtlichen Geschichte dar. Die Größe der Regale reflektiert hingegen gleich mehrere Maßstabsverschiebungen in unserer Beziehung zum Essen: von der häuslichen Vorratskammer zur industriellen Lagerhalle, von lokalen zu globalen Versorgungsketten. Die Ausstellung verwendet die Speisekammer aber nicht als einen privaten, geschlossenen Raum, sondern als Behältnis für eine Gemeinschaft: einen Raum für Begegnungen, Austausch und gemeinsames Nachdenken.
Die Speisekammer wird auch während der Ausstellung aktiviert werden. Am 13. Juni veranstalten die Studierenden eine „Inventour“: ein gemeinsamer Ausflug in die Nähe der Weikendorfer Remise, um Wildkräuter und Nüsse zu sammeln, aus denen sie dann lokale Liköre und Kräutertees herstellen. Die auf diese Weise befüllten Gefäße werden während der Dauer der Ausstellung reifen und ihr Inhalt kann bei der Finissage verkostet werden.
Johanna Thorell
Beiträge
Lisa Reiter
untitled (fridge magnets)

Über die beiden Regale sind Lisa Reiters Arbeit untitled (fridge magnets) (ohne Titel (Kühlschrankmagneten)) verteilt. Es handelt sich um winzige Skulpturen, Zinnabgüsse von Plastikfiguren aus Kinder-Überraschungseiern, die der eigenen Sammlung aus der Kindheit der Künstlerin entstammen. Diese scheinbar unschuldigen Spielsachen – deren Ikonographie an ein idyllisches Vorstadtleben denken lässt – gehören zu den ersten Dingen, die viele Kinder sammeln, und stellen somit eine frühe Übung im Aufbau einer eigenen Miniaturwelt dar. Indem sie Metallabgüsse der Figuren herstellt, erhebt Reiter diese von einer alltäglichen Banalität zur Kunst und benutzt Kühlschrankmagnete als ein Brennglas, um sowohl über die Zugänglichkeit von Kunst als auch das Phänomen der Sammelwut nachzudenken. Der Kühlschrank als der moderne Nachfolger der Speisekammer wird so zu einem Ausstellungsort, wo sich Erinnerungsstücke und persönliche Dinge ansammeln und in verschiedenen Konstellationen kuratiert werden können. Der Kühlschrankmagnet – den Reiter als „angenehm kitschig“ beschreibt – regt uns an, über unsere eigenen Sammelrituale nachzudenken und darüber wie die Dinge, die wir ansammeln, unser Gefühl des Zuhauseseins und unsere ästhetische Wertschätzung formen.
Viktoria Hilbert
Bez brigádnikov zostáva špajza prázdna / Ohne Gastarbeiter*innen bleibt die Speis leer (konzipiert mit Jayda Sauseng und in Zusammenarbeit mit Sezoneri),

Konzipiert zusammen mit Jayda Sauseng, aktivistisch tätig im Bereich Migration und Sozialarbeit, und in Kooperation mit Sezonieri – einer Initiative, die sich für die Rechte von migrantischen Saisonarbeitskräften in Österreich einsetzt – macht Viktoria Hilberts Performance auf die oft unsichtbare Tätigkeit der Arbeitskräfte aufmerksam, die die landwirtschaftliche Produktion im Marchfeld am Laufen halten. Im Verlauf der Ausstellung wird Hilbert im Kunstraum Weikendorf dreimal eine 12- bis 16-Stunden-Schicht arbeiten, die der Länge des körperlich anstrengenden Arbeitstages der Saisonarbeitskräfte entspricht. Während jeder Schicht wird die Künstlerin an einem Textilkunstwerk aus landwirtschaftlichen Materialien arbeiten. Indem sie grobe Jutesäcke, wie sie typischerweise zur Aufbewahrung der geernteten Feldfrüchte verwendet werden, bestickt, wird das funktionale und unscheinbare Material zu einer Plattform für einen stillen, aber deutlichen Widerstand. Da die Stickereien auf Slowakisch sind, einer Sprache, die von vielen der Saisonarbeitskräften gesprochen wird, die aber die meisten Einheimischen nicht lesen können, werden aus den gestickten Sätzen Gesten der Anerkennung, Solidarität und Sichtbarkeit. Durch diesen Akt verwandelt Hilbert ein Behältnis für Essen in ein Zeichen der Anerkennung, und würdigt so sowohl frühere als auch aktuelle Saisonarbeitskräfte, deren Arbeit in den vorherrschenden Erzählungen über landwirtschaftlichen Wohlstand so oft übersehen wird.
Yevheniia Pavlova
The Memory of Earth

Yevheniia Pavlovas The Memory of Earth (Die Erinnerung der Erde) richtet ihren Fokus auf Ackerboden und Hunger als Kriegswaffe und setzt sich so mit der Geschichte von Unterdrückung und Widerstand auseinander. Die muschelartigen Formen, hergestellt aus dem dunklen und nährstoffreichen Boden des Marchfelds, weisen die Abdrücke von Früchten, Gemüse, Korn und Nüssen auf, die einmal darin eingehüllt waren. Das Material der Skulpturen verweist auf die „Tschernosem“ in der Ukraine, die sogenannte „Schwarzerde“, die lange einen landwirtschaftlichen Überfluss symbolisiert hat. Allerdings verbirgt diese fruchtbare Erde eine schmerzvolle Geschichte: während der von den Sowjets künstlich herbeigeführten Hungersnot von 1932–33, bekannt als Holodomor, wurde Essen gezielt zurückgehalten, um den lokalen Widerstand gegen die erzwungene Kollektivierung der Landwirtschaft zu brechen. Als Reaktion darauf vergruben die ukrainischen Bauern in einem Akt des Widerstands gegen Plünderungen und Verhungern ihre Ernte und anderes Essen. Die sowjetischen Behörden machten regelmäßig Routinekontrollen der Äcker, um zu schauen, ob irgendwo vor kurzem gegraben wurde. Wenn sie verstecktes Essen fanden, wurde es konfisziert und diejenigen, die sie für schuldig erklärten, manchmal verhaftet oder exekutiert; alles, was zurückblieb war Leere. Pavlova bezieht sich mit den negativen Abdrücken in ihren Skulpturen, die uns an verstecktes oder entferntes Essen denken lassen, auf diese Methode des Vergrabens und erzeugt durch die Abwesenheit eine eindringliche Präsenz. Die aus Erde geformten Arbeiten verkörpern die Unsicherheit des Überlebens in einer Situation politischer Unterdrückung. Sie erzählen nicht nur von einem historischen Trauma und der aktuellen Realität des Krieges in der Ukraine, sondern auch von einer potentiellen Widerstandsfähigkeit, die im Boden selbst eingeschrieben ist. Indem für die fragilen Skulpturen die vom Landwirt Herr Böhm zur Verfügung gestellte Erde aus Weikendorf verwendet werden, verbinden sie zwei verschiedene geografische Orte durch diesen gemeinsamen Boden und erkunden die Fähigkeit der Erde, etwas zu bewahren, zu erinnern und Zeugnis abzulegen.
Michelle Schäfer
wir haben aufgegessen

Michelle Schäfers wir haben aufgegessen experimentiert mit anderen Formen der Konservierung, indem Abdrücke rostiger Gegenstände auf weißen Tischtüchern festgehalten werden. Bei diesen Objekten handelt es sich um Teile von alten landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen, wie zum Beispiel ein Pflug, der in der eingestürzten Scheune der Familie Böhm gefunden wurde. Schäfer behandelte die oxidierten Metallteile mit Essig und wickelte diese dann in die Tischtücher, so dass der Rost auf diese übertragen wurde und Flecken auf dem Stoff hinterließ. Die so entstandenen rostroten Abdrücke erinnern an die Spuren, die diese Werkzeuge einst im Boden hinterlassen haben. Auf diese Weise werden sowohl die physischen Spuren als auch die gespenstische Präsenz der nicht mehr genutzten landwirtschaftlichen Gerätschaften heraufbeschworen. Wie Geister einer vergangenen Ära sind diese Maschinen Überreste des Industrialisierungsprozesses. Beim Bestellen der immer größer werdenden Felder können die alten Gerätschaften nicht mehr mit den riesigen, GPS-gesteuerten Maschinen mithalten. Obwohl die Landwirte in der Region inzwischen viel größere Flächen bewirtschaften als ihre Eltern, arbeiten immer weniger Menschen auf den Feldern. So wie die hartnäckigen Flecken eines gemeinsamen Mahls nicht vom Tischtuch abgehen, so bewahren Schäfers Rostabdrücke für immer die Erinnerung an diese Werkzeuge.
Laura Ana Josic
mundgerecht / zitronen pressen

So wie die zwei Regale, auf denen viele der ausgestellten Kunstwerke präsentiert werden, vergrößert wurden, damit sie industriellen Regalsystemen ähneln, so spielt das Besteck von Laura Ana Josic ebenfalls mit extremen Maßstäben, indem die alltäglichen Gegenstände sowohl in filigrane Miniaturen als auch in monumentale Formen verwandelt werden. Hergestellt aus Keramik mit einer weißen Glasur spielen die Minitaturversionen einer Gabel, eines Messers und eines Löffels mit unserer Wahrnehmung alltäglicher Dinge. mundgerecht verweist in einer verschmitzten Weise auf den tatsächlichen Maßstab dieser Utensilien, die klein genug sind, um in den Mund zu passen. Dahingegen erinnern die überdimensionierte Gabel und Löffel an eine Heugabel und eine Schaufel. Wie in einer Nahaufnahme in einem Film, die Details heraushebt, die wir üblicherweise übersehen, vergrößern Josics Skulpturen die unbeachteten Formen einiger der uns vertrautesten Werkzeuge. Besteck, eines der im Alltag am häufigsten verwendeten Gegenstände, wird auf diese Weise absurd, fremd und skulptural. Eine andere Arbeit namens zitronen pressen, erlaubt es uns, über die formalen Eigenschaften einer Zitronenpresse, die ihrem Gebrauch enthoben ist, nachzusinnen. Formen, die üblicherweise in ihrer Alltäglichkeit und Funktionalität von uns unbemerkt bleiben, werden so zu eigenständigen Skulpturen.




David Carol Fedders
All those colors to my dreams

Ein kleines Dach aus farbigen Dachziegeln, die aus Zucker gegossen wurden, ist vorsichtig oben an einem Regal angebracht. Modelliert nach den Dachziegeln der eingestürzten Scheune der Familie Böhm, präsentiert David Carol Fedders in All those colors to my dreams (All diese Farben zu meinen Träumen) eine Neuinterpretation dieser schützenden Struktur in einem wasserlöslichen Material. Daraus resultiert ein paradoxes Objekt: obwohl es optisch einem Unterstand ähnelt, ist es strukturell so zerbrechlich, dass es seinen Zweck nicht mehr erfüllen kann. In dieser künstlerischen Intervention verschmilzt die Erinnerung an ein bestimmtes architektonisches Bauelement mit einem formbaren Material, das ein ehemals solides Dach in ein traumartiges, auflösbares Fragment verwandelt.
Flores Paul
(Ich) koche (für) (dich)!

Der Ausgangspunkt für Flores Pauls Arbeit – ein Buch und eine Reihe von drei buchartigen Objekten mit sorgfältig handgefertigten Umschlägen – ist ein Kochbuch von 1935 mit dem Titel Ich koche für dich!, das sie in einem örtlichen Büchertauschregal in einer ehemaligen Telefonzelle in Weikendorf entdeckt hat. Es handelt sich dabei um weit mehr als eine Rezeptsammlung mit Tipps für den Haushalt: das Buch ist ein historisches Dokument, das skizziert, welche Tätigkeiten und welches Verhalten von einer guten Hausfrau erwartet werden. Die Autorin, Ruth von Schüching (geb. Goetz), war eine produktive Schriftstellerin, die sich mit den Fragen der Emanzipation der Frau beschäftigte, bis sie wegen ihrer jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten mit einem Veröffentlichungsverbot belegt wurde. Neben der Entdeckung von Schüchings Kochbuch, verbrachte die Künstlerin auch Zeit mit den Mitgliedern zweier örtlicher Vereine für Seniorinnen und Senioren sowie Pensionisten und Pensionistinnen und sprach mit ihnen über die ungleiche Aufteilung der Hausarbeit zwischen Frauen und Männern. Paul stellte fest, dass viele der Frauen nur wenig Gelegenheiten hatten, am öffentlichen und sozialen Leben teilzuhaben, da sie die häuslichen Pflichten übernehmen mussten. Diese mündlichen Erzählungen, zusammen mit dem Kochbuch, bilden die Basis einer kritischen Reflektion sowohl der historischen als auch der zeitgenössischen Geschlechterrollen. Wer benutzt die Speisekammer, und wer trägt auch heute noch die Last der Care-Arbeit und der sozialen Reproduktion? Mit Hilfe von subtilen Interventionen – indem sie etwa Wörter im Titel des Buchs in Klammern stellt und indem sie „Bücher“ herstellt, in denen neue Verhaltensregeln aufbewahrt werden – schlägt Paul Akte des häuslichen Ungehorsams vor und öffnet so einen Raum, in dem die zwischen den Geschlechtern ungleich verteilte Hausarbeit neu definiert werden könnte.
Tutku Kocabaş
Gurbetcore

Auf der Rückseite des Kunstraum-Gebäudes, wo sich ein lokales Lebensmittelgeschäft befindet – also ein Ort, durch den permanent kommerzieller Produkte der Lebensmittelindustrie strömen – ist Tutku Kocabaş‘ Video zu sehen, eine ruhige Meditation darüber, was es bedeutet, weit von zu Hause entfernt zu leben, sowohl emotional als auch physisch.
In dem Video, das in Istanbul gedreht wurde, spiegelt die rastlose Bewegung der Kamera durch die Stadt die Erfahrung, einem Ort zugleich fern und verbunden zu sein. Präsentiert wie eine Nachricht an ein vergangenes ich, vermittelt die Stimme aus dem Off die Sehnsucht einer Person, die aus einer großen Distanz zurückblickt. Die Künstlerin nennt dieses Gefühl Gurbetcore, ein Wort, das sie selbst erfunden hat, indem sie das türkische Wort „gurbet“ für den tiefen Schmerz, weit weg von zu Hause zu sein, mit „core“ (engl. Kern, aber auch das Essentielle, Bleibende) verbindet und so eine ruhige Stärke andeutet, die durch die Distanz geformt wird. Die Arbeit hält nicht nur den Schmerz des Heimwehs fest, sondern auch die Widerstandsfähigkeit, die benötigt wird, um an einem unvertrauten Ort weiterzumachen. Indem dieses persönliche Zeugnis in einem Lebensmittelgeschäft präsentiert wird – ein funktionaler, halböffentlicher Ort, der für alles und jeden nur eine Durchgangsstation ist –, wird das Gefühl der Entwurzelung zwischen Dingen eingebettet, die sich in permanenter Bewegung befinden. So versucht ein nicht reduzierbares und dauerhaftes Gefühl, zeitweilig zwischen Waren Halt zu finden, die kurz ausgelegt werden, bevor sie ihre Reise fortsetzen.
Lena Heinschink
Voraussetzungen (mothers and others who hold) / in tränen ausbrechen

Lena Heinschinks Arbeiten bestehen aus einer Reihe skulpturaler Körbe und keramischer Gefäße, die sich mit der Poetik des Aufbewahrens auseinandersetzen. Ihre handgefertigten Körbe verbinden handwerkliche Häkel- und Webtechniken mit industriell hergestelltem Garn, um so in sich wiedersprüchliche Objekte zu produzieren, die uns einladen, darüber nachzudenken, wie verschiedene Arten der Arbeit nach Geschlecht hierarchisiert sind und welche Materialien mit diesen verwoben sind. Inspiriert von der Annahme der Schriftstellerin Ursula K. Le Guin, dass die ersten menschlichen Werkzeuge vermutlich eher Behälter als Waffen waren – eher Dinge, um zu tragen, was man gesammelt hat, als Speere für die Jagd – führt uns Heinschink das Behältnis als eine kulturelle Erfindung vor Augen, die in der Fürsorge, dem Sammeln und der Versorgung wurzelt. Die verschieden geformten Körbe können die während der „Inventour“ gesammelten Wildkräuter und Früchte aufnehmen. In Bewegung lassen sie ein leises Klingeln ertönen und stellen so die Vorstellung in Frage, dass Behältnisse passiv und unauffällig sind – etwas, das nur aufnimmt und selbst unbemerkt bleibt. Ebenfalls in der Ausstellung befinden sich die vasenförmigen Skulpturen in tränen ausbrechen, die ein zerbrechlicheres Bild der Aufbewahrung bieten: Gefäße, die lecken, überlaufen und etwas freisetzen. In einer Anspielung auf einen antiken Gegenstand, der in der Archäologie „Lacrimarium“ bzw. Tränengefäß genannt wurde, erinnern diese Objekte an Körper, die nicht in der Lage sind, ihre Gefühle zu kontrollieren – die nicht definiert sind durch das, was sie aufbewahren, sondern durch das, was sie nicht zurückhalten können. In beiden Arbeiten stellt Heinschink die Binarität von Behälter und Inhalt in Frage, und schlägt stattdessen ein dynamisches Modell der Aufbewahrung vor:
eines, das auch das Empfangen, Bewahren und letztendlich den Akt des Ausströmens umfasst.




Chiara Mizaikoff, David Carol Fedders
Eine Erinnerung für dieses Dorf

mit vier Einwohnerinnen von Weikendorf (Susanna Hirschböck, Maria Zillinger, Brigitte Kasper-Ager, Barbara Hollmann)
Als Teil der Ausstellungseröffnung, luden Chiara Mizaikoff und David Carol Fedders die Gäste ein, sich ein Stück der essbaren Skulptur zu nehmen, die sie zusammen mit Einwohnerinnen von Weikendorf realisiert hatten. Die Skulptur glich dem Stein der Ähre, einem örtlichen Denkmal, das eine riesige Weizenähre darstellt und das im Original 1967 von einem örtlichen Pfarrer und Bildhauer aus Anlass der 900-Jahr-Feier von Weikendorf geschaffen wurde. Die drei Meter große, aufrechtstehende Ähre ähnelt einem riesigen Phallus, der dem Boden symbolisch Fruchtbarkeit verleiht und – wie ein Maibaum – eine reiche Ernte bescheren soll. In einer Mischung aus Ritual und gemeinschaftlicher Schöpfung interpretiert Eine Erinnerung für dieses Dorf das Denkmal neu, nicht als ein statisches Gedenken an die Vergangenheit oder die Festigung einer bestimmten Zukunft, sondern als eine lebendige und partizipative Gegenwartsform. Die beiden Kunstschaffenden haben nicht nur auf den Ablauf der Eröffnung Einfluss genommen, sondern auch neu ausgehandelt, wie Kunst produziert, rezipiert und geteilt wird. Die einundeinhalb Meter große Skulptur, halb so groß wie das Original, wurde in mehreren privaten Küchen vor Ort gebacken. So wurde Hausarbeit mit der Öffentlichkeit verbunden und der Kunstraum Weikendorf in einen gemeinschaftlichen Raum umgewandelt. Auf diese Weise haben Mizaikoff und Fedders an das Projekt von Michael Kienzer angeknüpft und dieses weiterentwickelt. Er hatte vorgeschlagen, das ehemalige Feuerwehrgebäude am Rathausplatz in Weikendorf in einen Ausstellungsraum zu verwandeln, statt eine öffentliche Skulptur davorzustellen, wie es der künstlerische Wettbewerb ursprünglich vorgesehen hatte. Anstatt ein weiteres Denkmal hinzuzufügen, entstand aus dieser Geste ein offener Raum für Kunst und Diskussionen, der sich immer weiterentwickelt. In einem ähnlichen Sinn schlägt Fedders und Mizaikoffs essbare Skulptur eine Verschiebung weg von den traditionellen öffentlichen Denkmälern hin zu neuen Formen der Auseinandersetzung vor. Die Skulptur, die im Zentrum der Vernissage stand, stellte eine Opfergabe dar – geteilt und konsumiert von den Künstlern und Künstlerinnen, der Einwohnerschaft von Weikendorf und anderen Besuchenden in einer Art künstlerischem Abendmahl. In Erinnerung an das Kuchenmahl werden Spuren des kollektiven Backprozesses während der Ausstellung sichtbar bleiben. Dieses vergängliche Denkmal schlägt neue Modelle der Partizipation vor, in denen Essen sowohl als Symbol als auch als Substanz der Gemeinschaft dient.




Marie Filippovits
Der Haussegen hängt schief / Tapetenwechsel

Die beiden aufeinander bezogenen Arbeiten von Marie Filippovits, Der Haussegen hängt schief und Tapetenwechsel, werfen einen kritischen Blick auf die Machtverhältnisse und strukturellen Umbrüche in der österreichischen Landwirtschaft. Ein aus Zucker gegossenes Giebelkreuz, das sich sowohl auf das Logo der Raiffeisen Bank als auch die kürzlich geschlossene AGRANA Zuckerfabrik in Leopoldsdorf (an der Raiffeisen Anteile hält) bezieht, hängt schief. In seiner aufrechten Form erinnert das Kreuz an die sogenannte „Dreifaltigkeit“ – die langjährige Allianz von ÖVP, Bauernbund und Raiffeisen in der niederösterreichischen Politik. Das Giebelkreuz, das einst am Dach eines Hauses angebracht wurde, um dessen Bewohner vor Gefahren zu beschützen, verweist hier auf die zwiespältige Rolle von Raiffeisen: ursprünglich gegründet als eine Genossenschaft, die Landwirte vor Agrarkrisen und dem Druck des Marktes schützen sollte, basiert ihr Betrieb nun auf marktorientierten Managemententscheidungen, deren Auswirkungen auf die in der Landwirtschaft beschäftigten Menschen im Marchfeld unklar bleiben. Filippovits wirft ein Schlaglicht auf die durchlässige Grenze zwischen Fürsorge und Kontrolle, Schutz und Profitmachen. In dem Wandbild Tapetenwechsel, überlagert die Künstlerin zwei Tapeten mit Bildern von vier geschlossenen, leeren Silos in Gänserndorf, Mannersdorf, Oberweiden und Leopoldsdorf mit den Logos von Lebensmittelmarken und Medien, die Raiffeisen ganz oder zum Teil gehören. Das Kunstwerk wirft Fragen zur Transparenz auf, indem es untersucht, was von der Produktionskette, die unser Lebensmittelsystem und tägliches Leben prägt, sichtbar ist und was uns verborgen bleibt – und welcher Infrastruktur wir unsere Aufmerksamkeit schenken. So wie Industriedenkmäler sind die Silos als Orte zur Zwischenlagerung der Ernte äußerlich gut sichtbar, geben jedoch wenig bis gar keinen Einblick in das, was im Inneren geschieht. Das Übereinanderlegen der zwei Tapeten offenbart außerdem eine Verschiebung weg von Investitionen in die landwirtschaftliche Infrastruktur hin zu einem Netzwerk von Unternehmen und zu den Interessen der Aktionäre, und verweist so auf die zunehmende Dominanz der Megamarken in der Entwicklung der österreichischen Landwirtschaft.
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