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Michael Pisk :
Sozialisation

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Beendet
Krems a.d. Donau, 1999 – 2013

Information

Auf einer 40 x 20 m großen Rasenfläche wurden 100 Rotweinstöcke aus verschiedenen EU-Weinbauschulen angepflanzt. Die Holzskulpturam Rande des Weinfeldes wurde aus Teilen einer historischen Weinpresse zusammengefügt. Im Jahr 2013 wurde das Projekt abgebaut.

Das Thema in Michael Pisks Arbeiten ist stets das Festhalten oder Erzeugen von Strukturen. Strukturen, wie sie der Natur eigen sind und wie sie - weder ganz willkürlich, noch ganz regelmäßig - als selbstordnende Kraft Leben bestimmen. In seiner Malerei erzeugt Michael Pisk Strukturen in Form von Craqueluren in der Farbschicht, die durch ein analytisches Experimentieren mit Materialauftrag undTrocknungsprozessen entstehen; in seinen Fotoarbeiten hält er Strukturen, wie sie in organischen Prozessen des Kochens oder in Alterungs- und Witterungsprozessen von Holz, Stein u.ä.auftauchen, als abstrakte Momentaufnahmen fest. Auch die Arbeit für die Weinbauschule Krems setzt sich mit Strukturen auseinander, diesmal unter Einbeziehung des Ortes, d.h. seiner Bestimmung und seiner Geschichte. Das Skulpturenprojekt besteht aus zwei grundlegenden Elementen des Weinbaus, der ureigenen Funktion der Schule: einem Weingarten als Entstehungsort des Weines und einer Weinpresse als(historisches) Werkzeug zur Produktion des Weines. Ausgangspunkt und Basis für Michael Pisks Konzeption war es, die große, ungestaltete Fläche vor der Schule in der Form zu gestalten, ihr eine Struktur und Ordnung zu geben und gleichzeitig auf eine Funktion zu verweisen. Im Gegensatz zur Skulptur ist der Weingarten aber kein neu geschaffenes Kunstwerk,kein verfremdetes, abstraktes Symbol, sondern er ist, was er ist: ein Weingarten. Ein noch junger, neu gepflanzter Weingarten, der geerntet werden und aus dem Wein gewonnen werden soll.

Der künstlerische Eingriff besteht aus der Anordnung der Weinstöcke, das heißt für Michael Pisk aus der Verbindung zwischen Flächengestaltung, Strukturierung und neuer Ordnung. Jeder einzelne Weinstock ist eine living sculpture, durch Wuchs und Jahreszeit einem natürlichen Prozeß unterworfen, ein Prozeß, der Michael Pisk ebenso interessiert wie beispielsweise der Prozeß der Trocknung, der seinen Malereien ihre Oberflächenstruktur gibt und in den zwar künstlich eingegriffen werden kann, der aber nicht vollständig beeinflußt werden kann. Die Anordnung der einzelnen Weinstöcke zu einem Gesamtbild folgt einer historischen Tradition im handwerklichen Weinbau, der sogenannten Einzelstockkultur, die im Zeitalter der industriellen maschinellen Verarbeitung aus den Weingärten weitgehend verschwunden ist. Die Weinstöcke sind nicht in parallel laufenden Reihen angeordnet, sondern stehen wie im Schachbrett zueinander versetzt. Dadurch gibt es keine Reihen und Straßen, sondern ein von vier Himmelsrichtungen jeweils unterschiedlich wahrnehmbares Muster. Das Zusammenfügen von Einzelteilen zu einem Ganzen - oder auch in den Worten des Philosophen Vilem Flusser gesprochen: "Die Unordnung im Einzelfall ist der Baustein, aus dem die Ordnung im Gesamtfall aufgebaut ist" - das verbindet den Weingarten mit der davorstehenden Skulptur.

Im Hinterhof der Weinbauschule hat Michael Pisk die Einzelbestandteile einer alten Weinpresse aus dem
Biedermeier vorgefunden, die ursprünglich einmal genau an diesem Punkt hier stand, und hat sie nach monatelangem Konservieren und Fixieren zu einer neuen Skulptur zusammengefügt. Eine zeitgensssische Skulptur, entstanden 1999, die die Jahreszahl 1826 eingeschnitzt hat. Durch die vertikal aufgebaute Anordnung der Teile zu 7m Gesamthöhe gibt es keinen direkten Verweis mehr auf die ehemalige Funktion als Weinpresse, stattdessen stellen sich eher fremde Assoziationen ein, Assoziationen mit archaischen Urformen des Menschlichen, mit ethnischen Kult-Figuren, Manifestationen des Hütens und Bewachens: Wächter der Weinbauschule und Hüter ihrer Tradition. Michael Pisk hat dieser Arbeit den Titel "Sozialisation" gegeben - ein zusätzlicher Hinweis auf den (neuen) Symbolcharakter der Skulptur: Symbol für soziale Prozesse und hierarchische Abläufe in einer Gruppe, in einer Organisation. Und nicht zuletzt auch ein Verweis auf Kunst am Bau generell als komplexe soziale Aufgabe eines Künstlers.