Martin Krenn
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Mahnmal Friedenskreuz St. Lorenz
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Information
In den 1960ern wurde oberhalb von St. Lorenz, am nunmehrigen Welterbesteig Wachau, ein "Friedenskreuz" errichtet, das der "Kampfgruppe Jockisch" gewidmet ist – einer Einheit der Deutschen Wehrmacht, die im heutigen Kroatien, Bosnien-Herzegowina und in Weißrussland eingesetzt wurde. Umfangreiche Recherchen der Historiker Gregor Kremser und Robert Streibel ergaben, dass die Aufgaben dieser Reserve-Division zu Beginn des Krieges hauptsächlich in der Ausbildung von Rekruten lagen, die Einheit jedoch ab 1943 fast täglich in Kampfhandlungen mit Partisanen verwickelt war. Bei diesen Aktionen wurden als sogenannte "Sühnemaßnahmen" ganze Ortschaften niedergebrannt, Geiseln genommen und Zivilisten ermordet. Der Ort wurde in jüngster Zeit in veränderter Weise vereinnahmt, so wurden dem Kreuz etwa einschlägig konnotierte Attribute wie Wehrmachtshelme oder ein Lorbeerkranz beigefügt. Den in Folge ausgeschriebenen Wettbewerb zur (Neu-)Gestaltung des Platzes, gewann der Künstler Martin Krenn.
Das "Mahnmal Friedenskreuz St. Lorenz" ist eine konzeptuelle zweiteilige Arbeit: Sie besteht aus einer einen halben Meter vor dem Kreuz montierten Tafel aus Metallgewebe und aus fünf Arbeiten von Schüler_innen, die in der Umgebung des Kreuzes locker verstreut installiert sind. Kreuz und Tafel bilden als neue Einheit den zentralen Teil des Mahnmals. Auf das Metallgewebe ließ Martin Krenn die Fotomontage "Deutsche Eicheln 1933" drucken, mit der sich der Künstler und Protagonist der politischen Fotomontage John Heartfield im Jahr der nationalsozialistischen Machtübernahme mittels der Symbolik der "Deutschen Eiche" über die Selbstverherrlichung der Nationalsozialisten mokierte und vor der Kriegsgefahr warnte, die er in der Aufrüstung der Wehrmacht erkannte. Die Montage, die Heartfield für die Rückseite der Berliner Zeitschrift "Arbeiter Illustrierten Zeitung" (AIZ, 1933, Vol. 12, No. 37) gestaltete, zeigt einen kleinwüchsigen Hitler, der eine Eiche gießt. Das Bild spricht für sich: Der Stamm der "Deutschen Eiche", über den "verzwergten" Hitler hinausgewachsen, scheint seine mächtigen Früchte kaum halten zu können und kippt, als wäre er angebrochen, beinahe aus dem Bild.
Die Transluzidität des Metallgewebes transportiert die zentrale Idee des künstlerischen Konzepts: Je nach Blickwinkel und Lichtbedingung entstehen unterschiedliche visuelle Legierungen von der Fotomontage mit dem Kreuz, den beigefügten Objekten oder der Natur. Die Devotionalien der Unbekannten werden dabei von John Heartfields Montage satirisch überblendet, von mit einem Hakenkreuz bemalten Helm, der für eine Vorahnung des Künstlers 1933 stehen mochte, oder der Gasmaske, die an den verheerenden Gaskrieg während des Ersten Weltkrieges erinnerte. Die Entscheidung, das Kreuz in seiner aktuellen Form nicht zu verändern, ist damit Teil des künstlerischen Konzepts. Das vorgefundene Ensemble wird infrage gestellt und kommentiert. Der zweite Teil des Mahnmals besteht aus fünf Collagen. Sie wurden von Kremser Schüler_innen unter Anleitung von Martin Krenn und Gregor Kremser in einem halbjährigen Workshop gestaltet. Die Schüler_innen setzten sich in diesem mit der politischen Fotomontage Heartfields auseinander. In ihren Collagen thematisierten sie den Umgang mit Geschichte sowie die Bedeutung des Antifaschismus in der Zeit des Nationalsozialismus und in der Gegenwart. Die Installation als Ganzes ist als Aufforderung zu verstehen, sich mit dem Ort und mit seinen geschichtlichen Bedingungen auseinanderzusetzen. Martin Krenn hat das "Friedenskreuz St. Lorenz" mit Heartfields Zitat kontextualisiert und zu einem Mahnmal erweitert, das ein Zeichen gegen Kriegsverherrlichung und Faschismus setzt. Gleichzeitig ist es auch eine Hommage an die Zivilcourage an sich.
(Cornelia Offergeld)