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gegenwärtig, da

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gegenwärtig, da, Eröffnung, Kunstraum Weikendorf, 2025
© Joanna Pianka
gegenwärtig, da, Eröffnung, Tsai-Ju Wu, Gudrun Ratzinger, Hanna Burkart, Kunstraum Weikendorf, 2025
© Joanna Pianka
gegenwärtig, da, Eröffnung, Kunstraum Weikendorf, 2025
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gegenwärtig, da, Eröffnung, Kunstraum Weikendorf, 2025
gegenwärtig, da, Eröffnung, Kunstraum Weikendorf, 2025
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gegenwärtig, da, Eröffnung, Kunstraum Weikendorf, 2025
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gegenwärtig, da, Eröffnung, Kunstraum Weikendorf, 2025
© Joanna Pianka
Weikendorf, 18.10.2025 – 6.4.2026
Kunstraum Weikendorf, Rathausplatz 1, 2253 Weikendorf

Information

Gudrun Ratzinger

Was heißt es, sich im Hier und Jetzt zu befinden? In einer Gesellschaft, die Mobilität und globale Vernetzung propagiert, zugleich aber den Zuzug von Menschen problematisiert? Und in einer Zeit, in der wir uns gegen Gefahren absichern wollen, während uns angesichts unterschiedlicher Krisen die Vorstellung einer positiven Zukunft abhandenkommt?
Hanna Burkart, Raphael Reichl und Tsai-Ju Wu erkunden derartige Fragen in der Ausstellung gegenwärtig, da. Ihr Nachdenken bleibt dabei nicht abstrakt, sondern geht von konkreten Aussagen über das Leben in Weikendorf und dessen Wandel in den vergangenen Jahrzehnten aus. Ergänzt durch eigene Recherchen, Beobachtungen und Erfahrungen, entstand durch Austausch und gemeinsame Reflexion eine Ausstellung, die sowohl als Gesamtbild wirkt als auch zur detaillierten Betrachtung und Interaktion einlädt.

 

Beiträge

Hanna Burkart

Hanna Burkart

Hanna Burkart
Car Connections, 2025, Installation, Autositze
500 000 000, 2025, Objekt, Öl in Einweckglas
Luxus Astro Escape Ranger und Fiesta Sport Star Spacerunner, 2025, Zwei Wandobjekte, Autoembleme
Never Here Now There, 2025, Lichtobjekt, LED-Schild

Hanna Burkart, die nomadisch lebt und mit ihrem Cabrio durch Europa reist, rückt das Auto ins Zentrum ihrer Arbeiten. Es steht für Bewegungsfreiheit, zugleich aber auch für die Verödung dörflicher Strukturen und Vereinzelung. Mit der Installation Car Connections (2025) formt sie aus ausrangierten Autositzen, Fragmenten individueller Mobilität, einen Kreis und damit das Bild einer temporären Gemeinschaft. Sie regt an, darüber zu spekulieren, was das Gemeinsame dieser imaginären Versammlung ist, welche Themen hier diskutiert werden könnten und in welchem Verhältnis Bewegung und Stillstand stehen. Burkart schafft damit das verdichtete Bild eines sozialen Gefüges, das auf Verbundenheit beruht und aufgrund dieser Verbindlichkeit [JP1] auch klar unterscheidet zwischen denen, die Teil dieses Kreises sind, und jenen, die außen vor bleiben (müssen).

Das Objekt 500 000 000 (2025) verweist auf die obere Altersgrenze von Erdöl, wie es im Marchfeld zu finden ist. Mit dem in Einweckgläsern konservierten Altöl führt Hanna Burkart vor Augen, wie sich in dieser Flüssigkeit Vergangenheit und Zukunft der Erde, riesige fossile Zeiträume und kurze menschliche Eingriffe verdichten. In den Wandobjekten Luxus Astro Escape Ranger und Fiesta Sport Star Spacerunner (2025) reiht Burkart Autoembleme zu satzartigen Strukturen, die zwischen Verheißung und Ironie changieren. Die Autonamen klingen nach Freiheit, Abenteuer und Geschwindigkeit und verweisen auf die Werbestrategien der Autoindustrie, die das Autofahren eng mit Vorstellungen von Aufbruch, Individualität und Selbstbestimmung verknüpfen. Burkart zeigt, wie Mobilität zur Projektionsfläche für Sehnsüchte wird und wie diese im Rückblick seltsam aus der Zeit gefallen erscheinen. Mit dem Lichtobjekt Never Here Now There (2025) greift sie den Titel der Ausstellung auf und führt in einer Endlosschleife vor, wie schwer sich das Hier und Jetzt fassen lässt. Die Laufschrift macht die Flüchtigkeit von Gegenwart sichtbar, einen Zustand, der sich im Moment des Erfassens bereits wieder entzieht.

Raphael Reichl

Raphael Reichl

Raphael Reichl

Bürokratische Wärme ohne Knoblauch, 2025, Infrarotlampen, Ackererde, Pizzakarton
Die Befreiung von der Vergangenheit, 2025, Tapete, C-4 Print

Der derzeit in Mexiko-Stadt lebende Dokumentarfilmer Raphael Reichl widmet sich in seinem zweiteiligen Beitrag den Themen Nahrungsmittelproduktion, Migration und Klimakrise. Für Bürokratische Wärme ohne Knoblauch (2025) bestrahlt er mit Infrarotlampen Ackererde aus der Umgebung Weikendorfs in Pizzakartons, wobei die Umrisse von Dokumenten – Bankkarte, Pass oder Verträge im A4-Format – als Symbole für Absicherung, nationale Zugehörigkeit und Eigentum ausgespart bleiben. Die Arbeit verknüpft das fruchtbare Erdreich, das Grundlage allen Lebens ist, mit dem gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das über seine Nutzung entscheidet. Der Titel spielt ironisch auf die Künstlichkeit dieser Ordnungen an, da es sich um eine Wärme handelt, die Ergebnis menschlicher Technik ist, und Versatzstücke eines Nahrungsmittelsystems zu sehen sind, das immer mehr von technischen und politischen Abhängigkeiten bestimmt ist.

Die begleitende Wandarbeit Die Befreiung von der Vergangenheit (2025) greift die Vertreibung aus dem Paradies und damit einen Gründungsmythos der westlichen und christlich geprägten Zivilisation auf, in dem die Bearbeitung des kargen Bodens als Strafe und Chance zugleich erscheint. In Kombination mit einer historischen Aufnahme von Arbeiterinnen, die eine Fabrik verlassen, einer alten Darstellung des Marchfelds sowie zeitgenössischen Versatzstücken wie einem Smartphone oder einem Roboterschaf geht Raphael Reichl der Frage nach, welche Rolle Arbeit, Fortschritt oder auch Natur für uns spielen. Es entsteht ein Bild von Kontinuität und Bruch zugleich, des Versuchs, die Natur zu beherrschen, und des notwendigen Scheiterns dieser Ambition. Im Gesamtzusammenhang seines Ausstellungsbeitrags steht nicht mehr die Vertreibung aus dem Paradies im Zentrum, sondern wie[JP1]  wir inmitten technologischer, ökologischer und sozialer Umbrüche neue Formen des Zusammenlebens und der Verantwortung entwickeln können. Reichl spürt jenen Momenten nach, in denen Geschichte, Gegenwart und Zukunft in eins fallen, und stellt die Frage, was bleibt, wenn sich der Boden unter unseren Füßen verändert.

Tsai-ju Wu

Tsai-Ju Wu

Tsai-Ju Wu

Engel am Feld, 2025, Bierdeckel, Bleistifte, Zeit

Tsai-Ju Wu, aufgewachsen in einem Dorf in Taiwan und seit 13 Jahren in Wien lebend, nutzt in ihrer Arbeit die Metapher des Kartenhauses, um die Fragilität von Ankommen und Zugehörigkeit sichtbar zu machen. Für das instabile Gebilde, das jederzeit in sich zusammenfallen kann, verwendet sie zahlreiche selbst gestaltete Bierdeckel. Auf deren Vorderseite sind vor gelb-blauem Hintergrund die Postleitzahl und das titelgebende „Engel am Feld“ zu lesen, das wie ein Logo auf das Wappen des Dorfes verweist. Die Rückseiten zeigen ein Durcheinander aus Buchstaben, in dem sich Begriffe wie „Heimat“, „Traktor“, „Gemüse“ oder „Erntezeit“ finden lassen. Diese Schlagworte verbinden lokale Lebensrealität mit individuellen Erfahrungen und verweisen aufgrund ihrer Form als „Buchstabensalat“ auf die frei verfügbare Zeit von Menschen. In einer Gesellschaft, die in einem sehr starken Wandel begriffen ist, verweist das Kartenhaus aber auch darauf, dass Identität nicht statisch ist, sondern immer wieder neu hergestellt werden muss, im Spannungsfeld zwischen Herkunft, sozialem Umfeld und gegenwärtigem Lebensort.

Mit den Bierdeckeln knüpft Tsai-Ju Wu an das Wirtshaus als zentralen Treffpunkt und soziales Zentrum in vielen Dörfern an, wo die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem, zwischen individueller und gemeinschaftlicher Erfahrung verschwimmen, und denkt, indem sie dieses alltägliche Objekt in ihre Arbeit integriert und der Dorfgemeinschaft im Gegenzug gestaltetes Merchandise anbietet, über die Bedingungen ortsbezogener Kunst nach. Ihr Ansatz basiert auf Austausch und Rückbindung: Kunst als Teil lokaler Strukturen, die im Hier und Jetzt verankert ist und auf das soziale Gefüge eines konkreten Ortes reagiert.

 

Bilder (10)

gegenwärtig, da, Eröffnung, Kunstraum Weikendorf, 2025
© Joanna Pianka
gegenwärtig, da, Eröffnung, Tsai-Ju Wu, Gudrun Ratzinger, Hanna Burkart, Kunstraum Weikendorf, 2025
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gegenwärtig, da, Eröffnung, Kunstraum Weikendorf, 2025
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