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Liddy Scheffknecht :
nine to five

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Beendet
© Liddy Scheffknecht, nine to five
© Foto: Joanna Pianka
© Liddy Scheffknecht, nine to five
© Foto: Joanna Pianka
© Liddy Scheffknecht, nine to five
© Foto: Joanna Pianka
Weikendorf, Okt 2021 – Mär 2022
Rathausplatz 1a, 2253 Weikendorf

Information

„Working 9 to 5, what a way to make a living 
Barely getting by, it’s all taking and no giving 
They just use your mind, and they never give you credit 
It’s enough to drive you crazy if you let it“ 
(Dolly Parton, 9 to 5, 1980, RCA Nashville) 

Der Ausstellungstitel nine to five weckt unterschiedliche Assoziationen, sei es die von Dolly Parton besungene prekäre Stellung der US-amerikanischen Arbeiterinnen zu Beginn der 1980er-Jahre, die von David Graeber definierten Bullshit Jobs(2018) oder rezente Debatten zur Dichotomie von Erwerbsarbeit und Care-Arbeit. 

Eine Untersuchung der Arbeit, wie sie in der Ausstellung nine to five zugleich gezeigt wie auch problematisiert wird, erfordert zunächst einen Blick auf den Arbeitsprozess von Liddy Scheffknecht. Für die Tapete, die an den drei Wänden des Kunstraums Weikendorf angebracht ist, konzipierte sie zu Beginn eine komplexe Versuchsanordnung: Bei der Tapete handelt es sich um die Reproduktion von 22 Zeichnungen, die im Zeitraum „9 to 5“ – also zwischen 9 und 17 Uhr – an vier verschiedenen Orten entstanden sind. Der Verlauf dieser acht Stunden ist in den Zeichnungen in Form von Umrisslinien festgehalten: Für jede der acht Uhrzeiten, die insgesamt aus 17 Ziffern bestehen, wurde eine Schablone am Fenster eines Raumes befestigt. Durch diese Schablone fiel zur jeweiligen Uhrzeit das Sonnenlicht auf ein mit blauer Ölkreide bemaltes Papier. Diese Ziffern aus Licht ritzte Liddy Scheffknecht dann in die blaue Schicht ein, sodass die Ziffern dauerhaft als weiße Linien kenntlich wurden. Sind vor Beginn jeder Stunde die Licht-Ziffern noch verzerrt auf dem Blatt zu sehen – was auf den Zeichnungen deutlich zu sehen ist –, werden sie hin zum Anfang der jeweiligen Stunde immer gerader auf dem Papier erkenntlich. Mit Fortschreiten der 60 Minuten jeder Stunde nimmt die Verzerrung dann wieder zu – diesmal in die andere Richtung. So werden in den Zeichnungen die Erdumdrehung und der Weg des Sonnenlichts in einem definierten Zeitraum sichtbar. 

Bei genauer Betrachtung der Ziffern fallen Fehlstellen auf, bedingt durch Zeitpunkte, zu denen Wolken die Sonne verdeckten – unvermeidliche Störungen in der präzis konzipierten Versuchsanordnung. Die künstlerische Arbeit, die Liddy Scheffknecht hier – ihrer Konzeption folgend – immer wieder wiederholt, verkehrt den Akt des Zeichnens in sein formales Gegenteil: So wird keine Farbe auf das Papier aufgetragen, sondern mittels Schraubenzieher und Lineal ein Teil der blauen Ölkreide-Schicht abgetragen, und die weißen Linien der Ziffern werden freigelegt. Zum Vorschein kommen Ziffern in einer von Liddy Scheffknecht weiterentwickelten Typografie, die in zahlreichen ihrer Arbeiten auftaucht, wie in soon (before and later) (2020) oder in now (9. September) (2018). Diese Schriftart öffnet Assoziationsräume und lässt unter anderem an Digitalanzeigen denken, denen eine gewisse formale Standardisierung innezuwohnen scheint. Die gleiche Typografie findet sich auch in den drei Zeichnungsobjekten, die im Kunstraum Weikendorf installiert sind: Hier ist nun das Wort „now“ zu lesen. Jeweils die Transformation des Wortes innerhalb einer Stunde im Zeitraum „9 to 5“ ist in den Objekten zeichnerisch festgehalten. Durch die exakt ausgeschnittenen Buchstabenlinien ergeben sich wiederum neue Überlagerungen und Durchblicke auf die Tapete. So treten die Arbeiten in ein spannungsreiches Verhältnis zueinander wie auch zu ihrer Umgebung und laden den titelgebenden Zeitraum mit dem Versprechen einer unmittelbaren zeitlichen Bestimmung, dem „now“ der Gegenwart, auf. Die Redundanz und Gleichmäßigkeit von nine to five ist durchbrochen, die Verortung im Präsens ist zugleich ein Schnitt im Kontinuum der Zeit und aktualisiert sich von Augenblick zu Augenblick immer wieder aufs Neue. 

Die Zeit innerhalb der Ausstellung nine to five ist sowohl ein notwendiger Parameter der künstlerischen Versuchsanordnung wie auch der inhaltliche Fokus der versammelten Arbeiten. Mit nine to five lädt Liddy Scheffknecht jenen Zeitraum, der ansonsten mit einem gewöhnlichen Arbeitstag, wiederholten Tätigkeiten und Routine verbunden ist, mit neuer Bedeutung auf: So ist der Entstehungsprozess der Arbeiten auch von Wiederholungen geprägt, wenn die Ziffern der jeweiligen Uhrzeit sechsmal die Stunde in den blauen Grund eingeritzt werden. Damit wird die oft unbemerkt vergehende Zeit zum Thema und in bildlicher Form erfahrbar gemacht. Indem sie uns aufzeigt, wie unterschiedlich diese acht Stunden jeden Tag genutzt werden könnten, und die Zeit in bildlicher Form erfahrbar macht, demonstriert Liddy Scheffknecht das Potenzial dieser acht Stunden, die nicht notwendigerweise in einem bürokratisch-redundanten „9 to 5“ aufgehen müssen – denn so sang schon Dolly Parton: „It’s enough to drive you crazy if you let it“. 
Veronika Rudorfer 

Liddy Scheffknecht wurde für die aktuelle Ausstellung vom Juryteam in Weikendorf mit Ingrid Axmann, Robert Buchta, Kurt Felice, Robert Hanel, Brigitte Kasper‐Ager, Ulrike Kastan, Johannes Naimer, Katharina Neuner, Angelika Pozarek, Ernst Wagendristel und Anneliese Windisch ausgewählt und in der Umsetzung unterstützt. 

Bilder (7)

Liddy Scheffknecht, nine to five, Weikendorf, 2021
© Joanna Pianka; Bildrecht, Wien
Liddy Scheffknecht, nine to five, Weikendorf, 2021
Liddy Scheffknecht, nine to five, Weikendorf, 2021
© Joanna Pianka; Bildrecht, Wien
Liddy Scheffknecht, nine to five, Weikendorf, 2021
© Joanna Pianka; Bildrecht, Wien
Liddy Scheffknecht, nine to five, Weikendorf, 2021
© Joanna Pianka; Bildrecht, Wien
Liddy Scheffknecht, nine to five, Weikendorf, 2021
© Joanna Pianka; Bildrecht, Wien
Liddy Scheffknecht, nine to five, Weikendorf, 2021
© Joanna Pianka; Bildrecht, Wien